Das Fenster
Datum: 21.07.2018,
Kategorien:
Verführung
... unbefleckt, gab sich unschuldig wie das ruhig wiegende Meer nach einem Sturm. Ja, es war ein Sturm. Ein Sturm der Entrüstung. Das Leben hatte sich zurück gemeldet, sich unverhofft hineingedrängt in unsere Enttäuschung, die wir über es hatten. Es hatte sich über uns beschwert, sich über uns empört, sich für uns geschämt und uns dennoch wieder auf den Weg gebracht, uns tröstend angeschaut und liebevoll zurück in die hohen Wellen gestoßen.
Ich hatte mich beklagt, über mich, über das Leben, dachte, meines Lebens Zeit sei undankbar, nach all den Jahren. Ich war undankbar und es war meine Sicht der Dinge. Das Leben gab mir einen Wink, rüttelte mich wach. Carmen war jener Fingerzeig. Ich nahm ihn an, zögerlich verschämt, doch dann begierig. Vielleicht bin ich zu sentimental. Sehr wahrscheinlich sogar. Aber es gab Grund dazu und ich erinnerte mich dabei an jene letzte Beziehung, bevor Carmen in mein Leben trat.
Ich drehte mich zu ihr und schaute in ihr schlafendes Gesicht. Sie liegt so ruhig, als hält meine Sehnsucht den Atem an, dachte ich.
Ein Gesicht mag verblassen, wie ein letzter Brief. Vergilbte, sehnsüchtige Worte, abgegriffen, hunderte mal gelesen, doch niemals ausgeschöpft, denn die begleitenden Gefühle verbinden sich mit hervorquellender Erinnerung zu einem vollkommenen Bild.
Ihre Brust hob und senkte sich sanft im Rhythmus meiner Gedanken. Sie war nun ein Teil meines Lebens, ob ich wollte oder nicht. Ich wollte. Es sollte wohl so sein, sinnierte ich. Ich ...
... bin es nicht, der die Feder führt, es ist das Leben. Wie gut, dass ich nicht in deine Wohnung gezogen bin, wie ich es damals erwog, wegen des schöneren Ausblicks auf die Hafenmole und das Meer. Ich hätte dich nie beobachten können beim Öffnen der Fensterläden. Läge jetzt alleine in meinem Bett, hier in deiner Wohnung.
Du bist kein 'Umstand', kein 'Radwechsel', Carmen. Du bist ein suchendes Innehalten an einer Wegmarke. Hätte ich gewusst, dass du mir dort begegnest, ich wäre schneller gelaufen in meinem Laufrad.
Carmens Körper regte sich und holte mich aus meiner Betrachtung. Sie machte einen kleinen Seufzer und reckte ihre Arme.
Mit ihr erwacht jener Samstag zu einem tiefen Gefühl.
"Bist du schon lange wach", murmelte sie. "Nein, bin gerade erst wach geworden, durch dich", erwiderte ich tiefgründig.
"Hab' ich im Schlaf geredet", fragte sie, "das mache ich manchmal."
Ich lachte leise.
'Nein, das war es nicht', erinnerte ich und tippte ein paar Zeilen.
"Heute ist Markt, was hältst du davon, wenn wir im Kaffee opulent frühstücken. Rührei mit Speck, Milchkaffee und dazu Baguette zum Eintunken," meinte ich ironisch, "und dann über Markt und Mole schlendern. Da gibt es interessantes zu sehen."
"Ja, ein traditionelles Frühstück und dann einfach nur den Tag genießen", meinte sie, rekelte sich dabei im Bett und gähnte.
"Viel Rührei", säuselte sie und gab mir einen verschlafenen Kuss auf die Wange. "Macht müde Männer wieder munter", fügte sie lasziv ...