1. Die Fickinger 05


    Datum: 25.06.2018, Kategorien: Sci-Fi & Phantasie

    ... denken musste.
    
    Er schluckte hart. Aber es half nichts. Es gab nichts, das ihm helfen konnte. In manchen Momenten drohte ihn der Gedanke an sie fast zu ersticken.
    
    Aber er würde nicht heulen. Das war eines Wikingers unwürdig! Und noch war er längst nicht tief genug gesunken, um selbst den letzten Funken Stolz über Bord gehen zu lassen, der noch irgendwo tief in ihm glomm. Gut versteckt, aber trotzdem vorhanden. Er fragte sich nur, wie lange noch...
    
    Runa, dachte Vicke wehmütig. Für wenige Herzschläge schloss er die Augen, doch ehe seine Erinnerungen auf ihn einstürmen konnten, besann er sich. Es brachte ihn nicht weiter, sich an Vergangenem aufzuhalten.
    
    Unwillig ächzend sank Vicke zurück auf seine unbequeme Schlafstatt, die keinen Vergleich mit den weichen Schaffellen und Decken aus Birgers Langhaus standhalten würde. Aber auch daran zu denken, verbot Vicke sich strikt. Das riss nur unnötig an den tiefen Wunden, die der Aufbruch aus dem Dorf in seiner Brust hinterlassen hatte.
    
    Es waren tiefere Schnitte, als jeglicher Schwerthieb ihm jemals beigebracht hatte. Und es waren bei weitem nicht wenige Hiebe gewesen, die er damals hatte einstecken müssen im Kampf gegen die norwegischen Kaufleute, die ihnen unerwartet in der halb verfallenen Burgruine aufgelauert hatten, um sie in einen Hinterhalt zu locken...
    
    Die Niederlage der Starken Männer gegen die Norweger war bereits mehr als zwei Jahre her. Vickes Verletzungen waren abgeklungen, nur die Narben auf seiner Brust ...
    ... zeugten noch von der harten Lektion, niemals die Deckung zu vernachlässigen. Und sei der Gegner auf den ersten Blick auch noch so sehr im Nachteil.
    
    Der tiefe Schnitt über seinem Herzen hatte geblutet, wundgenässt, gebrannt und ihn nächtelang Höllenqualen leiden lassen. Fiebernd hatte er sich auf seiner Schlafstatt herumgewälzt, geschrieen, gebrüllt und geflucht, bis seine Kehle rau war und ihm die Stimme versagte. Nicht selten hatte er in den endlosen Nächten um Erlösung seiner Pein gefleht...
    
    Doch das alles war nichts im Vergleich zu den Wunden, die Runa ihm mit einem einzigen Blick beigebracht hatte. Nichts würde jemals diese Wunden heilen können. Verglichen mit Vickes Trennungsschmerz waren die Schwerthiebe seiner Feinde bedeutungslos gewesen.
    
    Mit hasserfülltem Blick starrte Vicke auf das von Wind und Wetter schiefe Reetdach der Fischerhütte, das den prasselnden Regen abfing, der seit einiger Zeit auf das Land niederging. In diesem Moment hasste er Tjure und Snorre abgrundtief.
    
    Was ihn letztendlich dazu bewogen hatte, aufzustehen, war Vicke später nicht mehr bewusst.
    
    Spontan fasste er einen Entschluss, warf die groben Wolldecken beiseite, um sich aufzurichten und durchquerte dann das pechschwarze Dunkel der Hütte mit festen Schritten.
    
    Draußen schlug ihm kühle Nachtluft entgegen. Der Herbst nahte mit unaufhaltsamen Schritten, und als Vicke den Kopf nach Norden wandte, schlug ihm eine heftige Böe ins Gesicht. Immer noch peitschte Regen in dichten Strömen ...
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