1. Dounja


    Datum: 17.06.2018, Kategorien: 1 auf 1,

    Ins unterste Parkdeck der HELLENIC SPIRIT hatten sie mich gelotst. Wird ganz schön dauern beim Rausfahren, ging mir durch den Kopf. Noch die Überfahrt nach Ancona und dann ist dieser Urlaub vorbei. Der Erste in Griechenland seit dem Tod meiner Frau. Sie war gerne hier.
    
    Ich stellte meine Tasche in der Kabine ab, nein, Deckpassage ist was für Jüngere, ging danach gedankenverloren über die grosszügige Innentreppe wieder zwei Decks nach unten und nahm dann die erste Möglichkeit nach Draussen zu kommen. Steuerbord, Mittschiffs. Ich musste lächeln. Die Begriffe hatte ich von den vielen Büchern über Piraten und Seefahrt, die ich in meiner Jugendzeit verschlungen hatte. Auf diesem Deckabschnitt sass im Moment nur ein einzelner Mann. Vielleicht mein Alter. Die anderen Passagiere wird es eher ein-, zwei Decks nach oben gezogen haben, wo mehr Platz ist, mit der Aussenbar und man die größere Aussicht geniessen kann. Ich kannte das Schiff. Es war das Selbe wie auf der Hinfahrt. Der Mann sass auf einem der beiden Stühle, die von Irgendjemandem auf diesem Deck abgestellt wurden. Allein. Er hatte eine große Wasserflasche aus Plastik, wie üblich in Griechenland, neben sich abgestellt. Ich ergriff den zweiten Stuhl und setzte mich etwa fünf- bis sechs Meter von ihm entfernt mit Blick aufs Meer. Jedoch nicht direkt an die Reling, was später mein ganzes Leben ändern sollte. Ich hätte ansonsten vermutlich nie bemerkt, dass nach etwa zehn Minuten eine Frau aus dem Schiffsinneren herauskam. Auf ...
    ... den ersten Blick eine durchaus interessante Frau. Dunkel- ja beinahe schwarzhaarig, so in etwa mein Alter, Ende vierzig, Anfang fünfzig, und für meinen Geschmack mit einer guten Figur. Sie trug eine graue Jeans und eine leichte Jacke. Ihre kleine Handtasche hatte sie Quer übergehängt. Crossbodybag nennt man das wohl heute... In Igoumenitsa war es etwas wärmer gewesen. Aber hier auf dem Meer wehte ein mäßiger Wind. Und da gerade Mitternacht vorbei war, fehlte auch die wärmende Sonne.
    
    Die Frau stellte sich wortlos an die Reling und schaute in Richtung Land, welches sich noch schemenhaft im Mondlicht abzeichnete. Minuten später erhob sich der Mann und verschwand im Schiffsinneren. Die Frau griff nach der Wasserflasche des vermeindlich Fremden, trank einen Schluck und stellte sie dann neben den Stuhl auf das Deck zurück. Seltsam, dachte ich mir. Nach einer Weile, es war noch kein weiterer Passagier auf dieses Außendeck gekommen, kam der Mann zurück und nahm seinen Platz wieder ein. Kein Wort zwischen ihm und der Frau. Kurze Zeit später ging der Fremde dann doch auf die Frau zu. Ich konnte nicht verstehen, mit welchen Worten er sie ansprach. Als er ihren Arm ergreifen wollte, stiess sie ihn weg. Sie wandte sich von ihm ab, kam ein paar Schritte näher in meine Richtung und richtete ihren Blick erneut aufs Meer. Der Mann starrte sie an. Sein Gesichtsausdruck war leer. Scheinbar resignierend setzte er sich zurück auf seinen Platz.
    
    Weitere Minuten später drehte sich die Frau. Im ...
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