Der Nerd
Datum: 09.05.2018,
Kategorien:
Verführung
Schon wieder saß er hier und starrte benommen auf die zwei großen Bildschirme, welche sich ihm vis à vis darboten. Oder aufdrängten. Das entschied ganz allein sein Empfinden, ob es das eine oder das andere sein mochte.
konnte man bei ihm auch mit elendem Drecksack gleichsetzen. Also im Normalfall. Heute jedoch rutschte alles beliebig in den Hintergrund, denn seit Jahren versuchte er die bittere Realität zu verdrängen. Er alterte. Als wenn dieser Zustand nicht jede Nutzung von atomaren Waffen erlauben würde. Tadaaa ... Er war ein Nerd. Einsam an seinen Rechnern, denn nicht nur hier und jetzt im Büro, auch in seinem Zuhause ratterten die Dinger auf Hochtouren. Ohne Unterlass.
Als sich sein Leben, besser, sein Nichtleben das erste Mal in sein Bewusstsein katapultierte, musste er so um die vierzig gewesen sein. Irgendwie gelang es ihm zu der Zeit das Offensichtliche weit, weit nach hinten zu schieben. Er schaffte es damals, diese dunkle Tür in seinem Leben mit aller Macht zuzuschlagen und in Windeseile abzuriegeln. Damals. Er hatte ernsthaft geglaubt, dass ihn das alles nie wieder einholen würde. Klar doch. Alles machbar, jagte ihm sarkastisch durch den Kopf. Dumm. Verdammt bescheuert für einen mittlerweile Fünfzigjährigen, setzte sein Intellekt resigniert hinterher.
Der gedankliche Sarkasmus stach in seiner Brust wie ein scharfes Messer, schnitt ihm die Luft zum Atmen ab und verletzte Herz und Seele. Wie oft erging es ihm in den letzten Monaten hier im Büro so? Das ...
... seine Gefühle Achterbahn mit ihm fuhren? Er hatte aufgehört zu zählen, als er bei zwanzig angekommen war. Es würde ihm nichts nützen die genaue Zahl zu kennen. Er lachte hart auf, denn sein Leben glich dem binären Zahlensystem eines Prozessors. Sein ausnahmsloses Dasein basierte auf Nullen und Einsen. Wobei er sich selber definitiv bei den Nullen einordnen würde. Was für Offenbarungen! Er würde was dafür geben, in diesem Augenblick mit sich allein sein zu dürfen. Aber nein. Diese idiotischen Nichtskönner, welche sich leider als seine Vorgesetzten aufbliesen, mussten mal wieder alle Marionetten nach Belieben neu platzieren. Auch ihn, obwohl er sich energisch dagegen gewehrt hatte. So saß er nun in einem Drei-Mann Büro. Seine Augen verengten sich zu Schlitzen und er ließ zaghaft seinen Blick nach rechts gleiten.
Fast wäre ihm ein genervtes Stöhnen über die Lippen gekommen, denn dem Hampelmann konnte er nicht auf den Pelz gucken. Irgendein Idiot aus dem Ausland. Den lieben langen Tag grinste der sich einen und programmierte unter Chillout-Musik für die Firma Software. Das einzig Gute? Er dröhnte sich den schwul angehauchten Mist über Kopfhörer rein. Die wenigen Momente, in denen er die Beschallung unterbrach, waren nach seinem Geschmack noch zu viele. Wenn er keine Musik hörte, mischte er sich in jedes Gespräch ein. Für ihn ein absolutes No Go. Aber, der Typ bemerkte nicht einmal, dass er allen anderen mit der Quatscherei gehörig auf den Sender ging. Die Unbeschwertheit von ...