1. Ginsterweg 1v9


    Datum: 06.03.2018, Kategorien: Betagt,

    ... dachte an seine Jugendzeit, in der die Mädchen verrückt nach seinen Liebesbriefen waren. "Nicht wenige habe ich damals nur Kraft des geschriebenen Wortes herumbekommen", dachte er belustigt. Nach einigen Minuten stand er schwungvoll auf und ging die Treppe hoch in den ersten Stock. Hier hatte er sich vor vielen Jahren, direkt neben dem Bügel- und Handarbeitszimmer von Heike, ein kleines Büro eingerichtet. Als es in der Firma mit den Computern losging, hatte er sich, damals für sündhaft viel Geld, eine dieser Teufelskisten gekauft, um daran in aller Ruhe üben zu können. Aber so richtig wurde er mit dem Apparat nie warm, und aus diesem Grunde stand er jetzt auch nur noch nutzlos herum. Das sollte sich ab sofort ändern!
    
    Sein erster Roman, immerhin fast 20 Seiten stark, war eine Spionagegeschichte. Heike, nachdem sie als Erste seine Schöpfung lesen durfte, versuchte ihre Kritik schonend einzupacken, indem sie ihrem Walter liebevoll über die Schulter strich, und voller Zuneigung sagte: "Warum schreibst du keine Liebesgeschichte? Du hast mir doch immer so schöne Briefe geschrieben ...!"
    
    Walter hatte das sehr wohl verstanden!
    
    Als einige Wochen später Heike die Blätter seines Krimis zur Seite legte, die Walter ihr mit freudestrahlendem Blick neben die Tageszeitung gelegt hatte, schaute er schon ganz gebannt. "Und? Toll! ... Nicht wahr?"
    
    "Ähm ... Ja ... Also wenn ich das richtig verstanden habe, sind am Ende des ersten Kapitels schon vier von fünf Hauptpersonen tot ...? ...
    ... Oder habe ich das jetzt falsch verstanden ...?"
    
    "Vielleicht habe ich das mit der Aktion doch ein wenig übertrieben", dachte Walter, und nahm sich vor, einen neuen Roman zu schreiben.
    
    *
    
    Inzwischen waren Heike und Walter mit dem Frühstück fertig, die Zeitung lag ausgelesen zwischen ihnen, und beide gönnten sich ein Zigarettchen.
    
    "Und? Was machst du heute?"
    
    Walter kratzte sich an der Nase. "Nach oben gehen und schreiben. Mir ist da gestern eine tolle Idee gekommen, die will ich aufschreiben, bevor ich sie wieder vergessen habe.
    
    Heike ersparte sich das Nachfragen, denn Walter würde ihr eh kein Sterbenswörtchen sagen. Seit sie seine ersten beiden Entwürfe so verrissen hatte, ließ sich Walter nicht mehr in die Karten schauen. Ja, er schaltete sogar schnell den Monitor aus, wenn sie nur den Kopf zur Tür hereinsteckte.
    
    "Und was ist mit dir? Was machst du denn heute?
    
    "Ich treffe mich mit meinen Freundinnen. Das habe ich dir aber gestern schon gesagt!"
    
    "Natürlich! Ich wollte auch nur noch mal hören, ob es dabei geblieben ist."
    
    Heike nickte nachsichtig, dann stand sie auf, nahm das Tablett und stellte das Frühstücksgeschirr darauf ab. Walter trug es ihr in die Küche und ging dann noch einmal nach draußen, um den Rest zu holen.
    
    Walter begleitete seine Frau noch zur Gartentür. Just in diesem Moment hielt ein großer Möbelwagen vor dem Nachbarsgrundstück. "Ob da jetzt endlich wieder jemand einzieht?", murmelte Walter.
    
    Heike drückte ihren Mann am Arm. "Woher ...
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