1. Ginsterweg 1v9


    Datum: 06.03.2018, Kategorien: Betagt,

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    Vorwort _ Es ist an der Zeit, meinen Nachlaß zu ordnen. Aus den verschiedensten Gründen standen meine Geschichten auf unterschiedlichen Seiten mit wechselnden Pseudonymen. Nun möchte ich die Arbeit von Jahren bündeln. Eine Nachbearbeitung findet nur rudimentär statt.
    
    Alle Personen in dieser Geschichte sind über 18 Jahre alt.
    
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    Die neue Nachbarin
    
    "Haben wir alles?", fragte Walter und schaute Heike an, die sich schon an den Frühstückstisch gesetzt hatte.
    
    "Wenn du ohne Kaffee frühstücken willst ... ", lächelte sie ihm liebevoll zu.
    
    Walter schlug sich mit der flachen Hand vor die Stirn. "Der Kaffee ... Ach ja ... Den hätte ich jetzt fast vergessen." Er schaute noch einmal über den Tisch, ob er nicht noch etwas vergessen hatte, dann ging er ins Haus zurück, um die Thermoskanne aus der Küche zu holen.
    
    Heike schaute ihrem Mann nach und dachte bei sich: "Er fängt wirklich an vergeßlich zu werden." Sie nahm ein Brötchen aus dem Bastkörbchen, schnitt es auf und legte es auf seinen Teller. Werner kam aus dem Haus, trat neben seine Frau und goß ihren Becher voll. Heike hatte seinen Becher in der Hand und hielt ihn neben ihren.
    
    "Ist das nicht wieder ein herrlicher Morgen?", sagte Werner, nachdem er sich auf seinen Platz gesetzt hatte, und vorsichtig den schwarzen Muntermacher schlürfte.
    
    Heike nickte. "Es wird bestimmt wieder so heiß wie gestern ... wenn nicht noch heißer!"
    
    "Ja. Damit hast du bestimmt Recht. Reichst du mir bitte mal die Politik ...
    ... rüber", sagte Werner und hielt den Arm ausgestreckt über den Frühstückstisch.
    
    *
    
    Die Beiden ließen es sich gut gehen, hier auf der Terrasse ihres Häuschens. Seit sein Arbeitgeber Werner mit 60 in den Vorruhestand entlassen hatte, waren zwei Jahre vergangen. Die ersten Monate waren für die Beiden nicht gerade einfach gewesen. Vor Werner öffnete sich ein tiefes, schwarzes Loch, das ihn zu verschlucken drohte. Also tat er das Nächstliegende! Er versuchte Heikes Haushalt von Grund auf neu zu strukturieren und durchzuorganisieren. Heike schaute dem Treiben ihres Gatten mit sehr gemischten Gefühlen zu, bis es ihr nach wenigen Tagen zuviel wurde. "Ich bin nicht 59 Jahre alt geworden, um jeden Morgen aufs Neue nach den Tellern suchen zu müssen! Such dir gefälligst was Anderes, mit dem du dich beschäftigen kannst!"
    
    Die nächsten Tage war Walter erst einmal beleidigt. Als Organisationstalent in der Firma geschätzt, bekam er in den eigenen vier Wänden die rote Karte gezeigt? Das schmerzte!
    
    Ein paar Tage später saß er mißmutig in seinem Lieblingssessel, die Beine gemütlich auf einem Höckerchen abgelegt, und las in einem Roman, den er sich aus der Stadtbücherei ausgeliehen hatte.
    
    "Und? Wie ist er ...?", fragte ihn Heike, als sie an ihm vorbeiging und ihm liebevoll übers Resthaar strich.
    
    "Er ist Scheiße!"
    
    "Wenn er Scheiße ist ... ", fiel Heike in seinen ordinären Tonfall ein, " ... dann schreib doch einen Besseren!"
    
    Walter legte das Buch zur Seite und schloß die Augen. Er ...
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