-
Vom Leid des Erwachsenwerdens
Datum: 24.12.2017, Kategorien: Romane und Kurzromane,
... Verkäuferinnen und unterschieden sich äußerlich nur durch kürzere Haare und ihre Kleidung. Es war ein irrsinniges Geflatter. Als Karola mich vorstellte kam ich mir vor wie beim Wiener Opernball. Einführung in die Gesellschaft und so. Ich wurde im Handumdrehen aufgenommen. Von Männlein und Weiblein gleichsam. Weiblein war ja OK, aber das Gebalze der Tunten ging mir damals schon gehörig auf den Sack. Deshalb hielt ich auch erst einmal den Schnabel, in der Hoffnung, die Wellen würden abebben. Aber nichts da. Als Karola meinen Namen sagte, der damals in Deutschland noch sehr selten vergeben wurde, gerieten die Weiber total aus dem Häuschen und die Tunten platzten aus ihren Fugen: "Alexander heißt er! Was für ein schöner Name!" kam es. "Hach, wie süß er ist!" fächelte ein Goldgelockter. "Wie alt bist du denn?" zischte eine Verkaufsrakete. "Wenn er auch noch sprechen kann, ist er für mich!" kreischte einer der Schwulis von hinten. ("Von wo sonst?") Das reichte dann auch und ich flüsterte in Karola's Ohr: "Du holst mich hier sofort raus oder du sagst denen sie sollen den Mund halten. Ich möchte dir hier etwas aussuchen und ich will nicht, daß es morgen die ganze Stadt, inklusive meiner Eltern, weiß." "Du hast recht! Ich mach' das schon. Geh' du und such' mir etwas feines aus! Ich halte sie zurück." Ich machte mich sofort aus dem Staub und versteckte mich suchend hinter Kleiderstangen. Da sah ich es. Es hing da und rief förmlich meinen Namen. Ich nahm es mit ...... dem Bügel von der Stange um es näher zu betrachten. Schwarze Rohseide. Ein u-förmiges, definitiv polizeilich verbotenes Dekollté, in dessen Mitte nochmals ein kleines, zirka zwei Zentimeter tiefes, 'V' eingeschnitten war. Ein Decollté am Decollté. Der Wahnsinn. Die Taille umfaßte eine Schärpe aus dem selben Material. Und dann kam der kürzeste Tellerrock, den die Modewelt bis zu diesem Zeitpunkt produziert hatte. Damit der weite Rock auch abstand wie ein Teller, hatte der umsichtige Courturier schon Petticoats aus feinstem, schwarzen Tüll angebracht. Der Rock war zirka 5 Zentimeter kürzer als der Tüll unten drunter. Somit schaute das transparente Material untendrunter hervor. Sensationelles das Teil. Das Unter -und das Oberteil. "Karola! KA-RO-LAAAaa!" riefen wir. Das Kleid und ich. "Ich komme!" "Wie gefällt dir das denn?" zeigte ich ihr nicht ohne Stolz. "Das ist ja einfach sensationell!" (?) "Ich probiere es gleich an. Sieht auch aus wie meine Größe!" Die Hühner, männlich und weibliche, kamen angegackert und scharrten wie wild mit den Krallen: "Das bist genau du, Karola!" leckte eine Verkäuferin. "Warum war es nicht ich, der dir diesen Sommernachtstraum in Schwarz vorgeführt hat? Ich könnte mich ohrfeigen!" und die Schwuchtel tat es spitzfingrig. "Mein Gott, göttlich!" jammerte jemand. "Ich hab's ja noch gar nicht an!" sagte Karola und verschwand in Richtung Umkleidekabinen und die ganze räudige Meute hinter ihr her. "Ein Irrenhaus!" dachte ich ...