1. Das Date


    Datum: 27.08.2020, Kategorien: Macht / Ohnmacht

    ... Bleiben wir doch beim Du.“
    
    „Gern. Ich hoffe wir hören uns.“
    
    Und weg war Sie. Hat sich nicht abschrecken lassen oder war Sie etwas nur zu höflich mir eine Abfuhr zu erteilen? Ihre Stimme klang nicht nach höflichen Abwimmeln, sondern nach Interesse. Bitte lass mich recht behalten.
    
    ....... zwei regnerische kalte Ostseetage später.
    
    Ich kann immer noch nicht wirklich glauben, dass Sie angerufen hat. Alles ist aufgeräumt. Es muss wie geleckt wirken. Mehrmals habe ich es überprüft. Die Soljanka köchelt, der Spargelauflauf ist im Ofen und das eigenhändig gekaufte Eis steht ebenfalls bereit.
    
    Es klingelt. Ich öffne die Tür und sie nimmt zu Begrüßung meine Hand. Das eigenartige Rascheln ihres Oberteils fällt mir sofort auf. Mag sein das es Anderen nichts ausmacht, aber mich stört es, auch wenn ich Sie so besser lokalisieren kann. Alles hat Vor- und Nachteile. Ich richte meine Hände greifend nach oben.
    
    „Darf ich?“
    
    „Na klar.“
    
    Langsam taste ich ihr Gesicht ab. Sie ist geschminkt. Positiv, das Sie sich die Mühe trotzdem macht. Da muss man vorsichtig sein, das man Ihr nichts verwischt. Mittelhohes Kinn, weiche Gesichtszüge, große Augenhöhlen und eine kleine abgerundete Nase. Sie scheint niedlich zu sein. Außerdem hat Sie kaum Lachfalten. Ihre Stimme trügt nicht. Ich habe es mit einer Frau unter dreizig zu tun.
    
    Sie geht durch die Wohnung und schaut sich um.
    
    „Schön hast du es hier.“
    
    „Danke danke. Ich geb mir Mühe. Man sollte sich auch in der Ferienresidenz wie ...
    ... zu Hause fühlen. Setze dich doch schon mal hin. Ich Tische gleich die Vorspeise auf.“
    
    „Lass dir Zeit. Ich muss mich eh kurz frisch machen.“
    
    „Den Flur entlang links.“
    
    Ich gebe mir alle Mühe die richtige Menge Soljanka in die Schalen zu geben. Es soll ja auch nichts daneben tropfen oder überlaufen. Schnell noch einen Klecks saure Sahne und zwei Scheiben Krustenbrot auf den Beiteller.
    
    Die Vorspeise ist angerichtet, bevor Sie aus dem Bad zurück ist. Ich finde es immer toll, wenn man in einen neuen Raum kommt und schon das bereitstehende Essen riechen kann. Das Rücken ihres Stuhls ist zu hören. Sie fängt an während des Essens über Belanglosigkeiten zu plappern, während ich mich konzentriere, beim Essen möglichst normal auszusehen und gleichzeitig meinen charmanten Humor zum Ausdruck zu bringen.
    
    Mit dem Hauptgang wird das Gespräch auch ungezwungener. Auflauf lässt sich aufgrund der Konsistenz leichter für mich essen und Sie scheint ebenfalls reinzuhauen. Meine Gedanken wandern ab und ich stelle mir vor, wie Sie sich wohl in ihrem Oberteil anfühlt. Wo ist das eigentlich? Ich höre kein Geraschel mehr. Sie bewegt sich zweifellos und ich höre keine Nebengeräusche.
    
    Wieso nicht? Hat Sie das Teil nicht mehr an? Wenn ja, wie lang schon? Wenn Sie sich bekleckert hätte, hätte ich mitbekommen, wenn Sie es ausgezogen hätte. Außerdem ist ein Fleck wohl bei einem Date mit mir das geringste Problem. Genau genommen hab ich die Geräusche nur ganz zum Anfang gehört. Vielleicht war ...