1. Das Weinbacher Kaiserfest - Kapitel II


    Datum: 15.07.2020, Kategorien: CMNF

    Anna tollte mit ihren kleinen Geschwistern auf der Weide neben der Mühle herum, als sie die Männer kommen sah. Es waren zwei kräftige Pikeniere von der Stadtwache und ein untersetzter Glatzkopf in der einfachen, aber respektheischenden schwarzen Tracht eines Stadtschreibers, und sie machten laut auf sich aufmerksam, als sie den Mühlengrund erreichten.
    
    “He, Müller! Komm heraus, wir haben mit Dir zu reden!”
    
    Anna nahm den kleinen Otto an der Hand und winkte ihre Schwester Grete zu sich. “Kommt, Kinder, wir wollen sehen, was die Herren wollen.” Sie liefen fröhlich zurück zur Mühle und reihten sich nebeneinander am Weidenzaun auf, wo sie die Szene aus sicherer Entfernung beobachten konnten.
    
    “Müller! Sieh zu! Wir haben besseres zu tun, als hier auf Dich zu warten!”
    
    Annas Vater kam aus seiner kleinen Töpferwerkstatt heraus und wischte sich mit einem fleckigen Tuch den Ton von den Händen. “Ja doch. Ich komme doch schon. Seid gegrüßt. Wie kann ich den Herren dienen?”
    
    Der Schreiber zog einen Federkiel hervor und rollte ein Pergament aus. “Ihr seid der jüngere Albrecht, Sohn des Otto, Müller und Hafner zu Waid bei Weinbach?”
    
    “Der bin ich, Herr.”
    
    "Und Du hast zwei unverheiratete Töchter, Anna und Margarete, ist das richtig?"
    
    "So ist es, Herr. Sie stehen dort am Zaun." Anna wunderte sich, dass die Herren nach ihr und Grete fragten. Wie aufregend, dachte sie.
    
    "Nun, Albrecht, der Rat hat Nachricht vom Kaiserhof erhalten. Seine Majestät wird zu Beginn des ...
    ... Nachsommers mit großem Gefolge Weinbach erreichen und beabsichtigt, für einige Tage in unserer Stadt Halt und Rast zu machen. Die Ratsherren haben daher den Beschluss gefasst, seiner Majestät angemessenen Empfang und festlichen Aufenthalt zu bereiten, wie es Sitte und Pflicht der Untertanen seiner Majestät ist." Der Schreiber zog ein weiteres kleines Stück Pergament hervor und drückte es dem Müller in die Hand, der es verständnislos anblickte. Er kam mit Zahlen zurecht und konnte notdürftig seinen Namen schreiben, wenn er musste, aber richtig zu lesen hatte er nie gelernt.
    
    "Es wird sich von selbst verstehen", fuhr der Glatzkopf fort, "dass ganz Weinbach und alle städtischen Güter zu diesem festlichen Anlass ihren Beitrag zu leisten haben. Wie Du diesem Dokument entnehmen kannst, hast Du die Mühle von Bernhardi bis zur Abreise seiner Majestät für die Bedürfnisse des Rats freizuhalten und ferner die verzeichneten Steingutwaren in allerbester Güte sechs Tage vor Beginn der Festlichkeiten zu liefern. Ich muss wohl nicht gesondert erwähnen, welche Ehre es für Dich ist, dass die Ratsherren gerade Deine Dienste in Anspruch zu nehmen beschlossen haben.“
    
    Der Müller zuckte mit den Schultern. „Natürlich, Herr. Es wird mir eine Freude sein.“ Wenn von Ehre die Rede war, hieß das immer, dass keine Bezahlung zu erwarten war, aber was sollte ein einfacher Mann da machen? Er konnte noch froh sein, dass die Mühle zur Stadt gehörte und nicht zu einem der Adelsgüter in der Umgebung. Die Ratsherren ...
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