1. Madagaskar


    Datum: 09.05.2020, Kategorien: Schwule

    ... nicht gut. Wir hier können euch nur schwer verstehen: Ihr kommt aus einem reichen Land, ihr habt alles, was ihr nur wollt. Ihr könnt euch teure Reisen zu uns leisten, und seid unglücklich hier.» Auf seine entwaffnende Logik hatte ich keine Antwort.
    
    «Haben Sie denn keine Freunde?» fragte er mich nach einem langen Schweigen. Ja, ich hatte Freunde, gute Freunde.
    
    Ich dachte an Alain und ich wollte nur eines, bei ihm sein. Als der Mann mich wieder abgesetzt hatte, zahlte ich meine Schuld und wünschte ihm eine gute Nacht. Ich vergewisserte mich, dass mein Telefon Empfang hatte und wählte Alains Nummer. Es läutete etwa 7 Mal, bis sich eine verschlafene Stimme meldete.
    
    «Bist du nicht ganz bei Sinnen», sagte Alain, nachdem ich mich gemeldet hatte, «weisst du welche Zeit es ist?» «Ja, ich weiss es, und ja, ich bin nicht bei Sinnen. Ich will, dass du zu mir kommst», antwortete ich. «Wo bist du?» fragte er, ich dachte, du bist noch in Madagaskar.» «Ja, auf der Ile aux Nattes.» «Das dauert aber, bist ich dort bin; ich bin in Lausanne.» «Ich weiss ja, dass es nicht möglich ist, aber ich brauche dich.»
    
    «Dir geht es schlecht. Erzähle!» forderte Alain mich auf. «Ich wünschte, ich wäre bei dir, Martin», sagte Alain, als ich ihm den Grund meines Anrufs erklärt hatte. «Das geht halt nicht, aber du schaffst das. Wenn es dir auch schwerfällt, denk an Anita. Geh zurück zu Ihr; sie braucht dich! -- Hallo, bist du noch da?» fragte Alain, als ich nicht antwortete. «Ja», sagte ich, «es tut ...
    ... gut, deine Stimme zu hören.»
    
    «Ok, du gehst zurück zu Anita!?» fragte Alain, aber es klang eher nach einem Befehl. «Ja, Alain» «Du rufst mich wieder an, wenn es dir nicht bessergeht, auch mitten in der Nacht! Hast du verstanden, Martin?» «Ja, Alain. Ich danke dir:» «Du schaffst das, Martin!»
    
    Ich ging zurück zum Hotel, zog meinen Pyjama an und legte mich wieder aufs Bett. Meine Gedanken verliessen die Endlosschlaufe und verweilten mehr und mehr bei Alain und der Gruppe. Ich dachte an die Pflichten, welche ich eingegangen war, als ich in die Loge aufgenommen wurde.
    
    Am Morgen war ich innerlich ruhig aber todmüde. Sobald das Hotelrestaurant öffnete, ging ich zum Frühstück. Julien hatte Dienst, verschwand aber sofort, als er mich sah. Den Kaffee brachte mir die Köchin. Nein, so wollte ich unsere restlichen Ferientage nicht verbringen.
    
    Nach dem Essen ging ich zum Hintereingang des Restaurants, wo Julien durchgehen musste, wenn er im Nachbargebäude Vorräte holen musste.
    
    Nach etwa 15 Minuten erschien er in der Tür, schreckte aber sofort zurück, als er mich sah. «Julien, reste», befahl ich ihm. Er blieb stehen, sein Blick zu Boden gesenkt. Er zitterte. Ich musste lächeln: Gross, stark und zitterte vor mir. Ich zog ihn auf die Holzbank, die um die Ecke an der Hauswand stand.
    
    «Julien, du weisst, wie weh du mir getan hast» begann ich in einem gebrochenen Französisch. Er nickte, immer noch in sich zusammengesunken. «Ich weiss, dass Anita alles eingefädelt hat», fuhr ich ...