1. Judith


    Datum: 24.04.2020, Kategorien: Erotische Verbindungen

    ... Mein Mann ist nicht allzu sensibel. Er hielt die Migräne für den Grund meiner Depression und kam nicht auf den Gedanken, dass beidem eine tiefer gehende Ursache zugrunde liegen könnte. Das Schlimmste war, dass ich mit ihm nicht über die Sache sprechen konnte. Nicht mit ihm, und auch sonst mit niemandem. Auch dem Therapeuten, den ich einige Male aufsuchte, verschwieg ich die Geschichte. Zu groß war die Angst, dass alles ans Tageslicht kommen könnte. Du bist der erste Mensch, dem ich diese Geschichte erzähle. Und dir muss ich sie erzählen, ob ich will oder nicht...
    
    Ich brach mein Studium ab. Ich hatte keine Energie mehr dafür. Wenig später nahm ich eine Vollzeit-Stelle als Buchhalterin an. Es war eine Art Therapie. Die endlosen, langweiligen Zahlenkolonnen waren das Richtige, um allmählich wieder so etwas wie ein inneres Gleichgewicht zu finden. Doch insgesamt dauerte es gute zwei Jahre, bis ich wieder Lebensfreude empfinden konnte.
    
    Die Massage-Ausbildung war dann mein echter Neuanfang. Und als dieses Jahr meine Großmutter starb und mir die Wohnung vermachte, dachte ich mir, dass genug Zeit verstrichen war, um hierher zurückzukehren. Ich nahm mir vor, mit deiner Mutter Kontakt aufzunehmen. Ich hätte ihr nie etwas erzählen können, aber ich wollte mich mit ihr anfreunden und vielleicht auf diese Art zumindest ein wenig mit der Vergangenheit aussöhnen. Natürlich war ich auch neugierig auf dich", sie lächelte ihn schwach an, „und hoffte sehr, dass du dich trotz des Verlusts ...
    ... gut entwickelt haben würdest.
    
    Dann traf ich deine Mutter zufällig. Leo, du musst wirklich stolz auf sie sein. Sie ist so eine starke Frau..."
    
    „Hör auf!" fauchte er sie an. „Das brauchst du mir nicht zu sagen! Wenn du dein schlechtes Gewissen beruhigen willst, dann vergiss es!"
    
    Judith seufzte und schlug den Blick nieder.
    
    Dann sprach sie leise weiter. „Aber als ich dich sah, war alles anders. Du ahnst nicht, wie sehr du deinem Vater ähnelst. Du hast die gleiche große, kräftige Statur. Das gleiche Lächeln. Für mich bist du wie eine jüngere Version deines Vaters. Und du übst die gleiche starke Anziehung auf mich aus. Ich war komplett verwirrt. Zunächst versuchte ich meine Gefühle durch lockeres Gerede zu überspielen. Doch sie ließen sich nicht verdrängen. Vom ersten Augenblick an wollte ich dich in meiner Nähe haben. Gleichzeitig wollte ich dich vor mir und meiner Begierde schützen. Die Vorgeschichte war einfach zu düster.
    
    Ich kämpfte gegen meine Triebe an, aber nicht sehr erfolgreich, wie wir bald festgestellt haben. Dass du mich offensichtlich auch attraktiv findest, machte die Sache nicht einfacher.
    
    Schließlich gab ich auf und ließ mich voll in die Beziehung zu dir fallen. Ich gab dem Zwang nach, alle Situationen und alle Fantasien von damals wieder durchzuspielen, diesmal mit dir.
    
    Die Lust, die mir das verschaffte, war diesmal noch stärker. Aber mir war bald klar, dass es nur ein zeitliches begrenztes Glück ist. Ich kann es mir einfach nicht vorstellen, ...