1. Das Studium 01


    Datum: 26.03.2020, Kategorien: Romane und Kurzromane,

    Kapitel 1
    
    Es nützte nichts. Ich würde mich damit abfinden müssen, dass ich mit meiner Abinote nicht den erträumten Medizinstudienplatz bekommen würde. Auch die beiden Wartesemester, die ich während meiner Zivizeit gesammelt hatte, würden daran nichts ändern. Lustlos klickte ich mich durch das Verzeichnis der Studiengänge, um vielleicht doch noch eine Alternative zu finden. Doch alle angebotenen Studienfächer interessierten mich nicht im Geringsten, oder der NC lag auch hier so hoch, dass ich keine Chance hatte. Ich war schon kurz vor dem Verzweifeln, als mir auf der Website einer Uni unweit meines Heimatdorfes der Studiengang "Angewandte Sexualwissenschaften" ins Auge fiel. Ich musste schmunzeln. Einen solchen Studiengang konnte es doch nicht wirklich geben! Aber da stand es in hochauflösendem schwarz-weiß.
    
    Neugierig klickte ich den Link an. Die Studienplatzvergabe erfolgte hier offensichtlich nicht über die Note, sondern war an ein Aufnahmegespräch in der Uni geknüpft. Und die Anmeldefrist endete - heute. Ohne noch einmal groß nachzudenken klickte ich mich durch die folgenden Seiten und meldete mich an. Ich hatte sowieso keine Alternative, also warum nicht etwas machen, dass wenigstens interessant klang? Ich konnte im neuen Semester immer noch den Studiengang wechseln, wenn mir etwas besseres einfiel.
    
    Zunächst passierte gar nichts. Ich schlief jeden Tag bis mittags und trat höchstens vor die Tür, um mich nachts mit meinen Freunden auf ein paar Biere zu treffen. ...
    ... Meine Anmeldung bei der Uni hatte ich schon am nächsten Tag vergessen.
    
    Doch etwa eine Woche später stürmte meine Mutter früh um acht in mein Zimmer. Um acht! Ich hatte gar nicht mehr gewusst, dass es diese Uhrzeit überhaupt gab. Dementsprechend lange dauerte es, bis ich begriff, womit sie mir da vor der Nase herumwedelte. Es war ein A4-Umschlag mit dem Logo der Uni. "Junge, du hast Post. Von der Universität!" Wie ich es hasste, wenn sie mich "Junge" nannte, anstatt meinen Vornamen zu benutzen. Aber meine Neugierde überstieg meinen Ärger und so fummelte ich an dem Kuvert herum, bis ich es letztendlich aufbekam. Möglichst unauffällig dreht ich mich so, dass meine Mutter den Brief nicht über meine Schulter mitlesen konnte, was gut war, denn der Briefkopf kündete in unübersehbaren Lettern davon, dass dies ein Schreiben des Instituts für angewandte Sexualwissenschaften war.
    
    "Und?", drängelte mich meine Mutter, "was steht drin?"
    
    "Ähm..." Ich überflog die wenigen Zeilen. "Also, sie laden mich zu einem Gespräch ein."
    
    "Hach, ich freu mich so für dich, Junge!"
    
    "Nenn mich nicht immer so! Und es ist auch erst einmal nur ein Gespräch... ich habe den Platz ja noch gar nicht!"
    
    "Das schaffst du schon, da bin ich mir sicher, Junge."
    
    Meine Mutter wuselte aus dem Zimmer und ich wusste, dass es nicht lange dauern würde, bis jeder Nachbar, Freund und entfernte Verwandte von dem Brief erfahren würde. Ich war heilfroh, dass sie in ihrer Aufregung gar nicht daran gedacht hatte, zu ...
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