1. Der Fünf-Jahresplan Pt. 01


    Datum: 04.03.2020, Kategorien: Schwule

    Noah
    
    Manche Menschen haben diesen Blick.
    
    Intensiv. Durchdringend. Gefährlich.
    
    Du bist so ein Mensch.
    
    Ich muss dich nicht sehen um zu wissen, dass du im Raum bist. Ich kann es fühlen.
    
    Mein Körper ist wie auf Autopilot und reagiert bevor mein Gehirn überhaupt die Chance hat zu begreifen, was gerade mit ihm passiert.
    
    Eine Gänsehaut bahnt sich den Weg über meinen Rücken, Wirbel für Wirbel, fast so als würden deine Fingerspitzen über meine Haut gleiten und die kleinen Härchen dazu provozieren, sich erwartungsvoll aufzurichten. Nur brauchst du dafür lediglich deine Augen.
    
    Mein Brustkorb zieht sich zusammen und meine Lunge verweigert kurzzeitig ihren Dienst.
    
    Eine Hitzewelle erfasst mich, bricht sich über meinem Kopf und zentriert sich schließlich mit voller Wucht zwischen meinen Beinen. Shit.
    
    Ich presse meine Oberschenkel zusammen und versuche tief durchzuatmen. Mit zittrigen Fingern greife ich nach meiner Flasche - ein verzweifelter Versuch meine angespannten Nerven mit einem großen Schluck zu beruhigen. Die kühle Flüssigkeit ist allerdings wortwörtlich nur ein Tropfen auf dem heißen Stein.
    
    „Alles okay mit dir?"
    
    Durch den dichten Nebel aus Alkohol, Adrenalin und Erregung dringt Emmas Stimme zu mir durch und ich schaue sie für einen kurzen Moment verständnislos an. „Hm?"
    
    „Ob alles okay ist wollte ich wissen? Du bist auf einmal so komisch...," Emma mustert mich eingehend und zieht fragend eine Augenbraue hoch. Ich war noch nie so dankbar für ...
    ... gedämpftes Licht wie in diesem Moment.
    
    „Klar!" erwidere ich also schnell und hoffe, es klingt in Emmas Ohren nicht genau so hoch und etwas zu gehetzt wie in meinen eigenen. Ich räuspere mich verlegen, antworte noch einmal betont lässig und verabschiede mich mit einem entschuldigenden Lächeln kurz auf die Toilette.
    
    Ich muss hier raus, und zwar schnell!
    
    Ich bahne mir meinen Weg durch eine verschwimmende Masse aus tanzenden Körpern und lachenden Gesichtern und spüre deine bohrenden Blicke in meinem Nacken wie Nadelstiche. Eine Schweißperle löst sich aus meinem Haaransatz und rinnt meine Schläfe hinab, quälend langsam, genau so wie mein Tempo durch die wabernde Menge der rettenden Tür entgegen. Jetzt, endlich!
    
    Ich stolpere ins Badezimmer und ignoriere die zwei kichernden Blondinen die mir bei meinem nicht ganz so eleganten Eintreten irritierte Blicke zuwerfen um mich schließlich mit dem dumpfen Dröhnen der Musik und meinem eigenen noch viel dröhnenderen Herzschlag in meinen Ohren zurückzulassen.
    
    Seufzend lehne ich meine Stirn gegen die kalten Fliesen und versuche meinen rasenden Puls unter Kontrolle zu bringen.
    
    Was zum Teufel stimmt nicht mit mir?
    
    Ich schließe meine Augen und atme tief ein und wieder aus. Ein. Aus. Ein. Aus.
    
    Warum hast du so eine Wirkung auf mich?!
    
    Doch ich komme gar nicht dazu in eine Tirade aus Selbsthass zu verfallen weil sich in diesem Moment die Badezimmertür öffnet und sich erneut jedes einzelne Härchen auf meiner Haut kerzengerade ...
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