1. Der Klempner


    Datum: 05.02.2020, Kategorien: Macht / Ohnmacht

    ... versehene runde Brille sorgten für ein fast intellektuelles Aussehen, das von einigen Pickeln am Kinn und Nase kaum getrübt wurde. Er war erschreckend jung, wahrscheinlich Azubi im dritten Lehrjahr, der ab und zu schon selbstständig kleinere Reparaturen durchführen durfte. Er war groß, jedoch von eher schmächtiger Statur, und nicht nur sein vor Anstrengung rotes Gesicht verriet, daß er Mühe hatte, den schweren Werkzeugkasten zu schleppen. Gekrümmt und mit dem freien Arm durch den Raum rudernd, versuchte er ins Bad zu gelangen, ohne irgendwo anzustoßen. Das gelang ihm weitgehend, nur als er die Liege passierte, streifte er mit dem unter seinen Kniekehlen bei jedem Schritt bedrohlich nach hinten ausschlagenden Metallkasten das Papier, unter dem Aria verborgen lag. Doch er bemerkte es nicht, wie er zuvor auch Aria nicht zu bemerken schien. Wahrscheinlich dachte er, unter dem wie achtlos hingeworfenen Papier läge eine Schaufensterpuppe, zumindest die Aufhängung der Beine an die Flaschenzüge und die beim ersten Hinschauen geschlossenen Augen sprachen dafür. Wer schaut schon eine Puppe ein zweites Mal an? Niemand. Aber selbst wenn er das täte, auf die Idee, daß es richtige Frauen geben könnte, die sich freiwillig in derartigen Posen fesseln lassen, käme er sicher nicht, dafür war er viel zu jung. So überraschte es nicht, daß er die weit offenen Augen Arias nicht sah, die ihn mit Bangen verfolgten und die noch weiter wurden, als eine der Papierbahnen, mit denen Aria bedeckt war, ...
    ... hinunterrutschte und ihre ganze untere Region entblößte.
    
    Ohne sich umzudrehen, verschwand er im Bad, und Aria, der das Herz für einen Moment stehengeblieben war, vernahm mit Erleichterung, daß er gleich mit der Arbeit begann. Ihr erster Gedanke war natürlich, nach Dion zu rufen. Doch gerade noch rechtzeitig besann sie sich der Gefahr, die da in Gestalt der offenen Badezimmertür lauerte. Was ist, wenn Dion gerade beschäftig ist und nicht sofort kommen kann? Dann wird spätestens bei ihrem zweiten Ruf der Klempner erscheinen, das wäre normal, jeder, sie selbst inklusive, würde das schon aus reiner Neugierde tun, das liegt Menschen einfach im Blut, seitdem Eva dem Ruf der unseligen Schlange nicht widerstehen konnte. Nein, rufen hätte keinen Sinn. Nicht auszudenken, was passieren würde, wenn der Klempner sie so sähe.
    
    Wie schlafende Hunde nicht geweckt, so sollten auch Klempner nicht von der Arbeit abgehalten werden; zu dieser allgemeingültigen Wahrheit kam Aria ganz allein. Ihr Hirn arbeitete auf Hochtouren, sie war heilfroh, nicht sofort dem erstbesten Impuls nachgegeben zu haben. Solange der Klempner im Bad zu tun hatte, drohte keine akute Gefahr, soviel stand fest. Natürlich, d
    
    ana
    
    ch könnte es wieder brenzlig werden, doch bis dahin wird ihr schon was eingefallen sein. Sie wußte, es gibt immer einen Weg. Unzählig sind die Beispiele in der Geschichte - die Roman- oder Filmheldinnen bezeugen es immer wieder -, daß auch aus ausweglosen Lagen Rettung möglich ist. Wenn ...
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