1. Tochter der Nacht


    Datum: 03.01.2020, Kategorien: CMNF

    ... der Kanzel aus predigte. Philius aber löste eine seiner Hände von der Meinen und schob sie mir unter das Kinn um meinen Blick mit seinen Augen aufzufangen. Die Zeit blieb stehen als er mich so ansah. Der Mond ließ seine Haut blass mit einer leichten Bräune erstrahlen und seine vollen Lippen ließen meine Knie weich werden. Doch es waren seine Auge die mir die Sinne zu rauben schienen. Wie zwei Edelsteine funkelten sie aus ihren Höhlen, wie in einen bodenlosen See sah ich mich darin untergehen und konnte mich nicht mehr aus eigenem Willen davon losreißen.
    
    „Ich will nicht, dass Ihr weiterhin leiden müsst, mein Blümchen“, wiederholte er doch ich wusste schon nicht mehr was er damit meinte. „Ihr lebt so kurz, da ist jede gelittene Minute eine verlorene Minute. Das Glück ist es das der Mensch verdient hat. Nur wenn er glücklich ist hat sein Leben einen Sinn.“ Was wollte er mir damit nur sagen? Den Blick immer noch auf meine Augen gerichtet beugte er sich zu mir herab und hauchte mir einen Kuss auf die Lippen. Ein Kribbeln durchfuhr mich und lief meinen Rücken hinunter bei dem ich dachte den Verstand zu verlieren. Ich wollte mehr davon, wie von einer Droge die sofort nach dem ersten Genuss nach mehr verlangt. Ich wollte mehr, wollte seine Lippen noch einmal auf den Meinen spüren, noch einmal den süßen Duft seines Atems auf meinen Wangen spüren doch er ließ von mir ab.
    
    „Bitte, geht noch nicht“, begann ich zu flehen als er sich von mir zu lösen begann, doch er schien sich nur ...
    ... noch stärker von mir trennen zu wollen.
    
    „Ich kann nicht länger bleiben, mein Täubchen“, sagte er und ich war auf einmal den Tränen nahe. Was war nur mit mir los? Ich kannte ihn doch kaum, erst seit kürzester Zeit. „Doch ich werde wiederkommen, das verspreche ich Euch.“, fuhr er fort, „Geht, ruht Euch aus.“ Heute weiß ich warum er es so eilig hatte.
    
    „Wann werde ich Euch wiedersehen?“, rief ich ihm noch hinterher doch er hörte mich schon nicht mehr. Seit dieser Nacht begann ein neues Feuer in mir zu brennen. Otto wirkte kein einziges Bisschen mehr attraktiv auf mich. Wie hatte ich ihn je lieben können hatte ich doch gerade einem der schönsten Wesen der Welt gegenüber gestanden?
    
    Nun, mein Leben ging weiter, doch die innere Sehnsucht nach Philius verzehrte mich tagein und tagaus. Voller Spannung erwartete ich täglich den Abend und damit die Zeit in der er mich besuchen kam. Es hätte ewig so weitergehen können, doch dann überschlugen sich die Ereignisse in unserem Land. Im heutigen Geschichtsunterricht wird euch diese Zeit als der am längsten ausgeübte kriegerische Konflikt des Mittelalters, als der Dreißigjährige Krieg, beigebracht obwohl es in Wirklichkeit nur sich aneinander reihende Kleinkriege waren. Die Fürsten bekämpften sich gegenseitig und vor allem wir, das einfache Volk, litten darunter. Dadurch, dass mal die eine und dann wieder die andere Partei über unser Land hinwegzog konnte meine Familie ihre Felder nicht mehr so gründlich bestellen wie sonst. Immer hing ...
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