Nur eine Nacht
Datum: 12.10.2019,
Kategorien:
Macht / Ohnmacht
... ich sehe, wollen sie sich diesem Aufmarsch wichtiger Menschen entziehen?" Eigenartig, wie er das 'wichtiger' betonte. Das lag nicht nur an seinem westfälischen Akzent, sonder beinhaltete eine gleichzeitig eine gehörige Portion Ironie. Sandrina, sonst für ihre Schlagfertigkeit berühmt und gefürchtet, brachte keinen Ton heraus. "Trinken sie mit mir auch ein Glas, oder nur mit der hiesigen Hautevolee?" Ganz langsam gewann sie ihre Fassung wieder, obwohl der durchdringende Blick keine Sekunde den Kontakt ihrer grünen Augen verlor. "Wenn sie mir sagen, mit wem ich die Ehre habe?" fragte sie mit ungewohnt unsicherer, zitternder Stimme. "Oh entschuldigen sie meine Unhöflichkeit." Er reichte ihr das eine Glas, beugte sich leicht vor und sagte, sie weiter mit Blicken durchdringend, als die Gläser mit leichtem Klirren aneinander stießen. "Jerome Kaiser, sechsundreizig Jahre ich weiß, ich sehe zwei Wochen jünger aus - ein Meter vierundneunzig groß, neunzig Kilogramm schwer, getrennt lebend, Unternehmer und deutscher Staatsbürger. Ein Fremdkörper in dieser Welt des laisser faire, der sich dennoch wohl fühlt, ganz besonders in so charmanter Gesellschaft, wie jetzt mit ihnen." 'Dem Schmeichler werde ich es zeigen' dachte Sandrina, 'wenn der glaubt, mich mit seiner coolen Art anmachen zu können.' Und während sie anstießen, bemerkte Sandrina wie seine Augen sie viel mehr verwirrten, als ihr lieb war.
Sein arrogantes und selbstsicheres Auftreten verunsicherte sie. Sein sportlich legerer ...
... graugrüne Anzug mit dunkelblauem Hemd und abgestimmter blauer Krawatte passten eigentlich so gar nicht in diese Welt des bunten Flitters, in der im Grunde jeder und jede versuchten, ihre konservativen bürgerlichen Charaktere möglichst schrill gekleidet zu verbergen. Doch dann passte sie in ihrem blauen, gestreiften Kostüm, Karl Lagerfeld und Chanel haben es ermöglicht, auch nicht hier her. Sandrina hatte das untrügliche Gefühl, ihm sei ihre Unsicherheit nicht verborgen geblieben. Aber schon wurde die kleine Idylle durch irgendwelche anderen, die Küsschen hier, Küsschen da, die sich dazwischen drängten, wieder zerstört. Ob sie wollte oder nicht, dieser Mann ging Sandrina nicht mehr aus dem Sinn. Aus unerfindlichen Gründen entschloss sie sich, zu bleiben. Aber erst Stunden später trafen sie sich wieder und sie verspürte eine innere Unruhe, wie schon seit ewigen Zeiten nicht mehr. Irgendwann zu später Nachtstunde wiegte sie sich beim Tanz in seinen kräftigen Armen und ließ sich treiben. Es blieb ihr auch keine andere Möglichkeit, denn aus diesem festen Griff um ihre Taille gab es kein Entweichen. Ihre ganze Lebensphilosophie geriet in turbulente Unordnung. Dieser Mann namens Jerome Kaiser bewegte sie, wie eine Marionette, sein stahlharter, durchdringender Blick legte sie in unsichtbare Fesseln. Und so fiel der nächste Stein aus ihrem feinmaschigen Mosaik, denn irgendwann noch später fragte sie ihn, ob er bei ihr zuhause noch eine Tasse Kaffee trinken wolle.
Kapitel 2
Draußen ...