1. Tango allein zu Haus


    Datum: 03.05.2019, Kategorien: Verführung

    ... streicht über die schwarze Hose, spielt ein wenig.
    
    Er lässt ihr Zeit für die Verzierung, geniesst - dann führt ein Impuls seines Oberkörpers sie in eine neue Schrittfolge.
    
    In den Pausen zwischen den Tangoliedern lachen und necken sie sich. Sie kennen einander gut, haben schon unzählige Male miteinander zu Hause und in den schummrigen Fabriksälen miteinander getanzt.
    
    Schon im ersten Tanz offenbart sich, ob man empfänglich ist für die Impulse des anderen, wie gut die Körper in der gemeinsamen Bewegung harmonieren. In den meisten Fällen ist die Berührung angenehm.
    
    Bei manchen Partnern sträubt sich der Körper gegen die all zu grosse Nähe.
    
    Und manchmal erleben die Tänzer eine vollkommene Harmonie, in der sie mit traumwandlerischer Sicherheit auf die Bewegungen des anderen eingehen, sie vorausahnen und beantworten.
    
    Dieses Spiel kennen die beiden nur zu gut.
    
    Isabella lebt dann dieses Gefühl - sich im Tanz ganz hinzugeben, sich darin zu verlieren.
    
    Dieses Phänomen ist frauentypisch, sie beschreibt es als Zerfliessen im Kontakt: Isabella kann beim Tango die Augen schliessen und sich fallenlassen, sie kann alle Kontrolle aufgeben.
    
    Ignacio dagegen entscheidet sich in jeder Sekunde für den nächsten Schritt. Er führt und ist dabei gezwungen, die Form zu wahren.
    
    Beide gingen früher oft zusammen zu jeder Milonga den Tangoabenden im El Commandante, wurden Stammgäste in der kleinen aber feinen Welt des Tangos.
    
    Dass es sich dabei um eine Kunstwelt handelt, ...
    ... die ihre eigenen Regeln hat, mussten sie erst lernen: die gelegentlichen Gefühle der Euphorie richtig einschätzen, sie relativieren.
    
    Der Tango packt uns bei unserer Eitelkeit und unserer Lust. Er bietet eine Vielzahl an erotischen Reizen und Signalen, die nicht selten zu Versuchungen werden.
    
    Es ist ein erotischer Lernprozess, die Gefühle der Anziehung, die man im Tanz erlebt, richtig zu deuten; sie als wertvolle und dennoch flüchtige Momente der Intimität anzunehmen.
    
    Dieser andere tangonale Mittanzmensch ist so nah, dass man wahrnimmt, wie sein Haar riecht, vertrauter Atem streift das Gesicht. Die Nähe ist so gross, dass der Kopf ausschalten muss, wenn der Tanz beginnt.
    
    Nicht nachdenken, sonst wird die körperliche Kommunikation gestört und somit der Fluss der Bewegung. Der Tanz kann die Sehnsucht nach Nähe stillen, aber immer nur für eine kurze Zeit. Und so schafft der Tango die Drei-Minuten-Beziehung, "intensiv, leidenschaftlich, sinnlich und ohne Nachspiel. -- Fast Food für die Seele."
    
    Der immer vorrätige Champagner liegt im Kühlschrank, mit leisem Plopp öffnet er die Flasche, nimmt 2 Gläser aus dem Regal und kommt ins Wohnzimmer zurück. Hier sind für uns die Tische etwas zurückgeschoben, damit ihr Tanz genügend Raum hat. Er giesst den Champagner ein und genüsslich trinken sie einen kleinen Schluck und der MP3 Player fordert gnadenlos zum nächsten Spiel der Schritte.
    
    Fest spürt Sie seinen Griff, er verzögert seine Schritte, kostet die Langsamkeit, die ...
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