1. Metamorphosen


    Datum: 17.12.2018, Kategorien: Ehebruch

    Das Treffen
    
    Wie auf Nadeln saß Bernhard am ausgemachten Treffpunkt und wartete auf seinen ehemaligen Schulfreund Ludwig. Erst vorgestern hatte er ihn beim 20-jährigen Maturatreffen nach mehr als einem Jahrzehnt wiedergetroffen, wobei Ludwig ihm bis dahin nicht gefehlt hatte, man könnte fast sagen, dass er keinen Gedanken an ihn verschwendet hatte. Doch bei diesem Treffen war es anders gekommen und deswegen saß er jetzt hier. Gedankenverloren schwenkte er sein mittlerweile fast leeres Bierglas und dachte an das vergangene Maturatreffen, ins besonders an Ludwig.
    
    Ludwig war vor etwas mehr als 20 Jahren mit seinen Eltern nach Österreich gezogen und zu ihnen in die Klasse gekommen. Anfangs hatte er es sehr schwer gehabt, er war schlicht und ergreifend der " Piefke" gewesen. Doch bald hatte er sich ihren Respekt verdient, hatte Beleidigungen weggelächelt, war immer freundlich und hilfsbereit gewesen, hatte alle durch seine Sanftmut für sich gewonnen und so war innerhalb von kaum zwei Wochen aus dem "Piefke" der " Wiggerl" geworden, ein anerkanntes und geschätztes Mitglied ihrer Klassengemeinschaft, welche, nur so nebenbei, alleine aus Jungs bestand.
    
    Nach der Matura kam es, wie es eigentlich immer kam, mit der Zeit verlor man sich aus den Augen, fand neue Freunde und so war die enge Gemeinschaft mit der Zeit immer mehr zerfallen, keineswegs im Groll, sondern durch den Lauf des Lebens. Bernhard hatte noch mitbekommen, dass Ludwig das Lehramt für die Primarstufe machte und ...
    ... er hatte sich damals gedacht, dass dieser sanftmütige Mensch dafür wohl besonders geeignet war. Danach hatte er kaum mehr etwas von ihm gehört, nur, dass er eine Frau kennengelernt hatte und ihr in die Steiermark gefolgt war. Ludwig war auch nicht mehr zu den Maturatreffen gekommen, hatte sich immer nett entschuldigt und nette Grüße ausgerichtet, mehr allerdings nicht. So war es Bernhard vor 5 Jahren auch nicht aufgefallen, dass es das erste Mal war, dass Ludwig sich nicht entschuldigt hatte, geschweige denn, dass er keine Grüße ausrichtete.
    
    Umso verwunderlicher war es daher für Bernhard gewesen, dass Ludwig zu diesem Treffen gekommen war und trotz der vielen Jahre dazwischen war es sofort wieder wie damals gewesen, Ludwig war wieder der Wiggerl, der sämtliche Neckerei freundlich weglächelte und mit verständnisvollem Lächeln jedweder Erzählung lauschte. Doch Bernhard hatte das Gefühl gehabt, dass bei Ludwig eine Veränderung stattgefunden hatte, eine Veränderung, die er anfangs nicht in Worte fassen konnte, je länger er ihn jedoch bei diesem Treffen beobachtete, umso mehr wurde für Bernhard diese Veränderung spürbarer, beschreibbarer. Beim damaligen Ludwig hatte man nur Sanftmut und Verständnis gespürt, jetzt jedoch vermeinte Bernhard hinter dieser Sanftmut ein gehöriges Maß an Härte zu spüren.
    
    Wenn Ludwig sich ins Gespräch einbrachte so waren seine Bemerkungen nach wie vor eher auf Harmonie ausgerichtet, doch war es für Bernhard als könnte er unter der Oberfläche Stahl ...
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