1. Wenn die Nachtigall erwacht 10


    Datum: 16.10.2017, Kategorien: Sci-Fi & Phantasie

    ‚Ihr wollt mich an einen anderen Ort bringen?`, stellte V'nyx der IV. misstrauisch fest, nachdem Miriam das Telefonat mit Sven beendet hatte.
    
    »Sven und Greg kommen heute Abend, wenn es dunkel ist, bringen wir dich zu Greg«, sagte Miriam. Währenddessen zog sie sich aus und verwandelte sich in die Blaue Königin.
    
    »Lasse uns T'rion den II. besuchen, solange wir auf die Jungs warten.«
    
    Miriam setzte sich auf einer der Blüten, die ihr V'nyx der IV. anbot und tauchte mit ihm in die Anderswelt ein. Ihr Blick schweifte über sanftes Land. Licht schien wie tausend goldene Fäden durch den sanften Nebel. Dahinter zeichneten sich die bunten Blüten der großen Bäume wie ein Aquarellgemälde ab. Zu gerne hätte sie mit den Ahnen aus grauer Vorzeit Kontakt aufgenommen, aber sie waren nur Abbilder aus vergangenen Tagen -- Erinnerungsfetzen, die V'nyx der IV. in diese Welt mitgebracht hatte.
    
    Miriam löste den Blick von der verschwommenen Schönheit des Tals und wandte sich dem dunklen Wald zu. V'nyx der IV., in Gestalt des graziösen Laufvogels, setzte sich, mit Miriam auf seinem Rücken, in Bewegung. Miriam spornte ihn nicht zur Eile an, sie genoss die sachten Schritte des Vogels mit gemächlich wippendem Becken und nahm die Ruhe dieser Welt in sich auf.
    
    »In den Erinnerungen, die dir V'nyx der III. hinterlassen hat, wirkt die Anderswelt friedlich, aber lebhaft«, stellte Miriam fest.
    
    ‚Dieser Ort war immer voll Leben, so einsam ist er nur, weil du eine Königin ohne Volk sein willst!', ...
    ... antwortete V'nyx der IV. bissig. Miriam überging die Provokation mit einem majestätischen Lächeln. Sie ritten schweigend in den dunklen Wald.
    
    »T'rion, ich rufe dich!«, sagte Miriam und suchte nach Anzeichen des roten Cerebrat. Seitlich und hinter ihnen erschienen dunkle Wesen aus den Schatten und bildeten einen weit gefassten Kreis.
    
    »Die Königin ist da!«, sagte T'rion der II. mit grollender Stimme und seine monströse Blüte schwebte aus den Nebelschwaden zu ihnen hinab.
    
    »T'rion!«, sagte Miriam erfreut und spürte den samtenen Tentakel über ihre Wangen streicheln. Sie schloss die Augen und erschauerte unter der Liebkosung.
    
    »Du hast V'nyx mitgebracht, gestatte mir, mich mit ihm auszutauschen«, sagte T'rion der II. und ließ seine weit geöffnete Blüte wie ein Schirm über ihnen schweben.
    
    Sie stieg von dem Laufvogel ab und entfernte sich einige Schritte. T'rion der II. senkte die Blüte über V'nyx dem IV. ab und erzeugte Geräusche, die Miriam nicht deuten konnte. Es klang wir das Knarren von Holz. V'nyx der IV. antwortete, indem er mit seinem Schnabel ähnliche Laute erzeugte. Miriam wusste nicht, ob Cerebrate sich immer auf diese Art austauschten, sie war noch nie Zeugin einer solchen Zusammenkunft gewesen und nahm andächtig lauschend auf dem Waldboden Platz.
    
    »Ach, selbst für eine Königin ist diese Welt voller Geheimnisse«, sagte Miriam und blickte sich um. Einige dunkle Gestalten näherten sich ihr vorsichtig. Sie schenkte ihnen ein distanziertes Lächeln und schaute ...
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