1. Eine moderne Liebesgeschichte


    Datum: 14.06.2018, Kategorien: Romantisch

    Früher war das Partnerfinden noch richtig einfach: die Eltern kümmerten sich darum, und man selbst hatte nicht viel damit zu tun. Wenn die Eltern Geschmack hatten, bekam die Tochter einen klugen Mann mit Zukunft und der Mann eine hübsche, praktisch veranlagte Frau. Heute ist das sowas von kompliziert: die Eltern und Verwandten machen überhaupt nichts mehr, alles muss man selber machen. Und dann muss man sich auch noch unter Dutzenden von Kandidaten oder Kandidatinnen für eine Person entscheiden. Puch
    
    Aber man kann natürlich das Ganze optimieren. Vor einem Jahrzehnt gab es in jedem Werbe­blättchen Bekanntschaftsanzeigen, das bewahrte diese Blättchen davor, sofort in der Rund­ablage oder Ablage P zu landen. Für die Notgeilen gab es dann noch Kontakte mit Telefon­nummern. Und bis auf das Telefonieren dauerte alles, man schaute jeden Tag aufgeregt in den Briefkasten und wartete auf eine Nachricht, aber meistens kam keine, zumindest als Mann. Die Frauen bekamen natürlich Dutzende Zuschriften, aber die meisten disqualifizierten sich selbst. Und je älter man wurde, umso schlimmer wurde es. Die meisten Altersgenossen waren schon verheiratet, und woran sollte man die vielen geschiedenen, getrennt lebenden oder triebgesteuerten Leidens- oder Schick­salsgenossen erkennen?
    
    In der heutigen Zeit ist das einfach: man schafft sich einen Computer und einen Internet­an­schluss an, und schon kann man all diesen Übeln adäquat begegnen. Partnerschaftsbörsen sind hoch im Kurs, es soll ganz ...
    ... einfach sein, aber ist das wirklich so?
    
    Fragen wir doch mal Silvia H aus M. Sie ist schon länger bei der Partnerbörse FS, hat auch schon einige Dates gehabt, aber neulich ist ihr was passiert, zum Schlapplachen. Sie stieß auf ein Profil von Harald K aus O. Und da hatte sie zu tun, denn der schrieb ganze Romane dort hinein, zumal noch ohne jeden Rechtschreibfehler. Verdächtig, verdächtig. "Potzderdaus, der Typ muss bescheuert sein", dachte sich Silvia H. Und da sie Premium-Mitglied ist, konnte sie alle Segnungen von FS nutzen und chattete ihn an. Und Harald K aus O nahm den Chat an. Er dachte sich aber: "Was will denn die aus M von ihm? Die muss bescheuert sein." Der geneigte Leser bemerke, dass die Einschätzungen der jeweiligen Gegenüber identisch sind.
    
    Nichts desto trotz entwickelte sich ein Chat der besonderen Art, über Stunden. Harald war das noch nie passiert, so witzig, teilweise frivol und voller - auch sexueller - Anspielungen. Das gefiel ihm gut, und wenn er das Foto von Silvia sah, so war er auch zufrieden. Schon über 50 und dann noch so gut aussehend? Natürlich blieb es nicht nur beim Chat, es folgten stunden­lange Telefonate, die nie langweilig wurden. Bescheuert fand man sich überhaupt nicht mehr, nein, beide waren offensichtlich der Meinung, ihre Pendants gefunden zu haben.
    
    Silvia hatte ihren Mann beim Fremdgehen erwischt, und nach der Trennung blühte sie so rich­tig auf und sammelte auch neue Erfahrungen. Viele Männer hatte sie zwar in ihrem Leben noch ...
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