Bei den bösen Mädchen
Datum: 06.05.2018,
Kategorien:
Romantisch
Langsam, viel zu langsam erhebt sich die glühende Sonnenscheibe über den Horizont und läßt das lichte Gitterviereck über die blanken, ewig feuchten Mauersteine wandern. Jetzt, da das vorzeitige Ende meines Lebens besiegelt ist wäre ein schnelleres Voranschreiten der Zeit eine unschätzbare Gnade. Nachts liege ich wach auf dem fauligen Stroh und sehne mich nach dem Tag, an dem ich meinen Kerker verlassen werde, doch die Hofastrologen haben den Hinrichtungstermin noch nicht fest gesetzt. Jawohl, ich habe mich schuldig bekannt, schuldig des Hochverrates. Angesichts der Lage, in der mich die königliche Garde erwischte wäre die Verweigerung eines Geständnisses äußerst unklug gewesen. So bin ich der Streckbank und anderen der Wahrheitsfindung mehr oder minder dienlicher Gerätschaften entgangen, aber auf weitere Vergünstigungen kann ich nicht hoffen.
Im Gegenteil, wenn ich mich an der Fensteröffnung auf die Zehenspitzen stelle und den Hals recke so weit es meine Ketten zulassen sehe ich wenn ich Pech habe die Ursachen meiner verhängnisvollen Lage, und wenn ich noch mehr Pech habe quält der Anblick der verlassenen Übungsgelände meine Augen. Ich glaube nicht, dass es eine zufallsbestimmte Laune meiner Bewacher war, mich in genau dieses Verlies zu sperren und mir meine Augengläser zu lassen. Unzählige Male habe ich mich bereits an der Fensteröffnung hochgereckt um wieder und wieder flüchtige Blicke auf die Damen zu werfen. "Holt mich hier raus ihr treulosen Weibsbilder", hätte ich ...
... am liebsten auf sie herabgeschrien, "Habt ihr schon vergessen wieviel Spass ihr mit mir hattet, ihr Herzlosen?"
Natürlich konnten sie mich nicht hören. Sie waren zu weit weg, und selbst wenn sie mich bemerkten, würden sie mich vermutlich völlig ignorieren. Offiziell scheren sich die Töchter des Schwertes nämlich keinen Deut um Männer. Das Heiraten wurde ihnen schon vor vielen hundert Jahren per Dekret untersagt. Keine Kämpferin sollte sich von einem Mann davon abhalten lassen, in den Krieg zu ziehen, geschweige denn, aus Mutterschutzgründen den Dienst an der Waffe monatelang zu verweigern oder schließlich ganz aufzugeben. Während einer Schlacht soll eine Kriegerin keinen einzigen Gedanken an einem Mann verschwenden, also wurden im Laufe der Zeit die Bestimmungen im Umgang mit dem anderen Geschlecht immer weiter verschärft.
Heute muss sich unter Eid jedes junge Mädchen für immer von der Liebe lossagen ehe es sich zur Kriegerin ausbilden läßt. So soll gewiss sein, dass eine Kriegerin in der Schlacht keinen Gedanken an einen Mann verschwendet. Die Kriegerinnen bleiben stets unter sich. Männer, die sich ihnen ohne gegebenen Anlass oder ohne den gebotenen Respekt nähern werden streng bestraft. Wer nicht die Augen niederschlägt wenn er einer Kriegerin auf der Straße begegnet, den soll auf der Stelle ihr Schwert treffen, so lautet ein Gesetz, welches gerade von Kriegerinnen höherer Dienstjahre immer wieder angewendet wird. Kriegerinnen dürfen sich generell viel herausnehmen in ...