1. Wer sich in Gefahr begibt . . .


    Datum: 19.01.2018, Kategorien: Betagt,

    ... der Ritze zwischen Matratze und Kopfteil schimmert es grünlich.
    
    "Whow!", stöhne ich überrascht, als ich einen grünen Stringtanga ans Licht befördere. In ihm hat sich ein weiteres Dessous verfangen. Einer meiner Soft-BHs. Ich atme meinen Duft an beiden Teilen. Sven hat die Sachen aus der Schmutzwäsche genommen. Und das kann noch nicht so lange her sein.
    
    Der Fund hat mich kalt erwischt. Ich bin sprachlos und lasse mich auf die Bettkante sinken. Die beiden Wäschestücke in den Händen haltend schaue ich mich um. Ein Spiralblock auf dem Boden weckt meine Neugier. Kein schlechtes Gewissen diesmal. Ich stopfe die Wäschestücke in die Ritze zurück, greife nach dem Block. Ein Stift fällt heraus, kullert unter das Bett. Auf der ersten Seite steht nur ein Wort: Mein Namen. Und auch die nächsten Seiten sind angefüllt mit: Doreen -- Doreen -- Doreen - ... Herzchen, mit rotem Filzstift gemalt, zieren die Ecken jeder Seite. Ich blättere weiter. Bald wird das Doreen -- Doreen -- Doreen von Text unterbrochen. Ich lese die Sätze und komme aus dem Staunen nicht mehr heraus. Pennälerfantasien. Aber mit einer Sprachgewalt geschrieben, die Buchreif ist. Wie nicht anders zu erwarten, befinde ich mich mitten in Svens Fokus. Als ich die letzte beschriebene Seite gelesen habe, lege ich den Block vorsichtig zurück. Ich muß hinunter ins Wohnzimmer. Dem ersten Kognak folgt ein zweiter. Langsam beruhige ich mich wieder. War das, was ich gelesen habe, eine Anleitung? Ein Drehbuch? Für mich ...
    ... geschrieben?
    
    Nach einer langen Pause weiß ich was ich zu tun habe. Ich steige wieder die Treppe hinauf. Plötzlich sehe ich die kleine Wohnung mit ganz anderen Augen. Als ich vor dem Bett stehe, werden meine Knie weich. Vor Erregung zitternd bringe ich sein Bett in Ordnung. Schüttle das Kopfkissen. Die beiden Dessous lasse ich in der Ritze stecken. Seine frisch gewaschene Wäsche staple ich im Kleiderschrank.
    
    *
    
    Sven kommt an diesem Tag etwas später nach Hause. Er schaut zur Küche hinein. Susanne und ich brauchen noch fünf Minuten für das Abendessen.
    
    "Hallo zusammen."
    
    "Hallo Sven."
    
    "Hallo Sven. Kommst du gleich? Wir sind fast fertig." Ich stelle eine Schüssel auf den Tisch und sehe ihn freundlich an.
    
    "Eine Minute. Ich bringe nur noch meine Sachen nach oben."
    
    Susanne und ich schauen uns an.
    
    "Langsam taut der Kleine auf", bemerkt Susanne.
    
    "Ja, das tut er."
    
    Wir warten und warten, bis ich mein Besteck auf den Tellerrand lege und meine Freundin anschaue.
    
    "Ich gehe mal schauen was da los ist." Susanne nickt. "Iß du nur weiter."
    
    Leise klopfe ich an Svens Tür. Keine Reaktion. Lauter. Wieder keine Antwort. Natürlich kann ich mir denken was mit Sven los ist. Ich überlege ob ich einfach hineingehen darf. Ich entscheide mich es zu tun.
    
    Sven sitzt auf der Bettkante. Matt in sich zusammengesunken, sein Blick ist feucht. Mit einer Mischung aus Trauer und Scham blickt er flüchtig zu mir auf.
    
    "Kein Hunger?"
    
    Sven schüttelt verneinend den Kopf. Wieder kämpft er ...
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