»Lena« - Kapitel 2: Von Null auf Hundert in zwei S
Datum: 09.01.2018,
Kategorien:
Macht / Ohnmacht
... besitzen dort eine Garage und andere parken ihre Autos im Hof. Ich mache mich bereit, um das Treppenhaus hinauf zu sprinten, wenn ich auch nur das leiseste Geräusch von dort unten höre.
Stattdessen höre ich, wie einer unserer Nachbarn seinen Schlüssel in einen Briefkasten steckt und den Inhalt heraus holt. Die Briefkästen befinden sich im Erdgeschoss. Nur zwei Treppenabsätze bewahren mich damit vor der Peinlichkeit, so im Hausflur angetroffen zu werden.
Ich versuche mucksmäuschenstill zu sein. Kennt ihr das? Man versucht, selbst leise zu atmen und kommt sich dabei vor wie eine Dampflok, die man aus einigen Kilometern Entfernung hört.
Ich höre, dass dem Nachbarn seine Post herunter fällt. Bevor er sie aufhebt, schließt er die Klappe seines Briefkastens. Anschließend höre ich Schritte, die sich nach oben weg bewegen. Rythmisch, wie ein Metronom erklimmt der Nachbar Stufe für Stufe das Treppenhaus.
Im zweiten Stockwerk angekommen wird deutlich hörbar ein Schlüssel ins Schloss gesteckt. Es kommt mir vor, als wären Stunden vergangen, ehe eine Tür wieder ins Schloss fällt und im Treppenhaus wieder absolute Stille herrscht.
Das muss Herr Ernst gewesen sein. Norbert. Der nimmt nie den Aufzug, sondern läuft stets die Treppen, um sich fit zu halten.
Ich blicke die Tür des Aufzugs an.
Der geht bis in den vierten Stock, danach müsste ich noch zwei Absätze nach oben. Wieso ist direkt neben unserer Wohnung der verdammte Aufzugsmotor?
Im Kopf gehe ich die ...
... Möglichkeit durch, den Aufzug für die Teilstrecke zu nutzen.
Wenn ich aus dem Aufzug komme und da steht wer, dann kann ich nicht weg.
Ich entscheide mich fürs Treppenhaus, weil ich damit flexibler bin.
Klack!
Auch dieses mal sprinte ich los, als das Licht wieder aus geht.
Ich habe keine Ahnung, wie viele Treppenstufen sich im Haus befinden. Ich habe sie noch nie gezählt. Ich zähle auch die Absätze dieses mal nicht.
Weiter hoch, als bis zu unserer Wohnung geht es ohnehin nicht, also kann ich da auch gar nicht vorbeirennen.
Klack!
Mit einer Vollbremsung bleibe ich wie angewurzelt stehen und horche ins nun wieder hell erleuchtete Treppenhaus. Von oben höre ich Stimmen. Ich versuche mich zu orientieren. Auf dem Klingelschild steht “Ernst”.
Zweites Stockwerk!
Die Stimmen verabschieden sich voneinander. Ich erkenne die Stimme von Jessica, unsere Nachbarin im fünften Stock, bei der Lena öfter einen Kaffee trinken geht.
Wird der Unbekannte den Aufzug nehmen oder das Treppenhaus?
Komme, was wolle, ich habe nicht viel Zeit.
Während der Unbekannte sich zu Fuß auf den Weg macht, drücke ich den Rufknopf für den Aufzug.
Ein Absatz. Zwei.
Die Schritte verstummen nicht.
Er nimmt die Treppen.
Wie wild hacke ich auf die Ruftaste des Aufzugs.
Drei Absätze.
Die inzwischen so vertraute Panik meldet sich zurück.
Dieser verdammte Aufzug!
Mit einem vertrauten Geräusch kommt der Aufzugskorb vor mir zum Stehen.
Vier Absätze, der Unbekannte ist ...