Ausweglos - Teil 3
Datum: 26.08.2020,
Kategorien:
Schamsituation
Wer sind Sie?
Niemals hätte ich mir vorstellen können, dass ein Gefühl der Angst, der Scham und der Ausweglosigkeit noch grausamer sein könnte. Der Abend in Bernau war bis heute das Maximum dessen, was ich glaubte aushalten zu können. Die Träume waren und sind die Hölle. Zwar war ich überzeugt, dass ich das alles nie wirklich vergessen könnte. Aber ich lebte immer in der Hoffnung, nein eigentlich in der festen Überzeugung, dass es irgendwann derart verblassen würde, dass es im Nebel unschöner Jugenderinnerungen abtauchen würde. Bis heute.
Und nun der Umschlag. Alles wieder da. Schlimmer als jemals zuvor. Aber ich hatte auch noch nie so viel zu verlieren. Mein ganzes Leben war im Beziehungsbereich gescheitert. Alles wegen dieses einen Abends in Bernau. Bis zum heutigen Tage ertrage ich keine fremde Hand auf mir. An der Uni hatte ich alle Interessenten, darunter unglaublich nette Jungs, vor den Kopf gestoßen. KEINE HÄNDE MEHR AUF MIR, DIE MIR SCHEINE IN DEN SLIP STECKEN!!! UND ALLE MÄNNER WOLLEN NUR DAS. MICH KAUFEN UND ERNIEDRIGEN. So gingen die Jahre dahin. Allein. Flucht in Alternativaktivitäten. Verhaltensforscher würden es vermutlich Übersprungshandlung nennen. Glücklicherweise ine äußerst produktive Form der Übersprunghandlung. Alle Kraft und Energie in die Wissenschaft fokussiert. Weltweit anerkannte Koryphäe auf meinem Fachgebiet. Natürlich der fast auf Profiniveau betriebene Radsport, der unbewusst die körperlichen Malusse kompensierte. Das Reiten. Die ...
... Sorge um die Betreuung meine Mutter. Alles Fluchtwege, um keine Beziehung zulassen zu müssen.
Und nun der Umschlag. Eine schlaflose Nacht liegt hinter mir. Nicht nur schlaflos, sondern von Ängsten und Sorgen durchflochten. Meine Versuche, am neuen Projektantrag zu arbeiten, verliefen kläglich im Sande. Wie soll ein Mensch auch einen klaren Gedanken fassen, wenn die Panik seinen Kopf umwühlt, altes, langsam in der Versenkung Verschwundenes wieder ganz nach oben zerrt?
Der Kaffee bringt mich wieder etwas in Schwung, so dass es mir ohne Probleme gelingt, Isabella, meiner alleinerziehenden Nachbarin, die ihre beiden engelsgelockten Zwillinge zur Schule fährt, im Treppenhaus einen schönen Tag zu wünschen. Und natürlich komme ich demnächst mal wieder auf ein Glas Wein herüber … Ich öffne die schwere hölzerne Eingangstür zu unserem Vierparteienaufgang und mir wird bewusst, dass dieser Tag in Bezug auf das Wetter ebenso phantastisch werden wird wie der gestrige. Ja, in Bezug auf das Wetter. Aus dem Briefkasten fallen mir die Zeitung entgegen, in der Zeitung ein Stapel Briefe. Idioten schimpfe ich in mich hinein. Elende Werbung. Die Schlagzeilen überfliegend gehe ich zurück in die Wohnung, gieße mir die zweite Tasse Kaffee des heutigen Tages ein – dabei wehmütig an den hochsignifikanten Unterschied zwischen meiner braunen Brühe und Mandys Meisterwerk denkend – und setze mich an den Küchentresen. Während die Müsliflocken eine innige Verbindung mit dem Joghurt, den Bananen- und ...