Zoya in der Milizwache
Datum: 10.07.2020,
Kategorien:
Macht / Ohnmacht
... Zelle vorbei und wünschte ihr freundlich einen guten Tag. Dies verwirrte sie. Sie verspürte Harndrang. Eine Kloschüssel stand in ihrer Zelle. Sich Erleichterung zu verschaffen wäre also technisch gesehen kein Problem gewesen. Doch fürchtete sie, es könnte jederzeit wieder ein Milizionär auftauchen und sie sehen, wie sie nackt auf dem "Thron" sitze. Auch lässt sich die Notdurft nicht ganz lautlos verrichten, und es wäre ihr peinlich gewesen, wenn alle zugehört hätten, wie sie gepinkelt hätte. Sie wartete deshalb noch eine halbe Stunde zu, in der Hoffnung, dass sich etwas tun werde und sie die Zelle verlassen könne. Vergebens. So trat sie den Gang zum Klo dennoch an und spülte auch kurz am kleinen Wasserbecken ihren Mund aus. Dann hüllte sie sich in die Decke, welche auf der Pritsche lag. Wenige Minuten später wurde sie von einem Milizionär angewiesen, die Decke wieder auf die Pritsche zurückzulegen. Dies tat sie und setzte sich sodann auf die Pritsche und wartete.
Es war ihr nun bewusst, wo sie gelandet war, nämlich in der alten Polizeiwache der Nordstadt: Der teils massive Alkoholmissbrauch unter Jugendlichen in der Stadt ist ein Problem. Es vergeht kaum ein Wochenende, an welchem nicht einer oder mehrere Jugendliche von der Polizei angehalten werden müssen, weil sie im Vollrausch lärmen und die Nachtruhe stören. Bis vor wenigen Wochen pflegten die Milizionäre jeweils solche Jugendlichen direkt den Eltern zuzuführen, unbesehen von der Uhrzeit und ob die Jugendlichen noch ...
... unter elterlicher Sorge stehen oder, wie Zoya, bereits mündig sind. Leider machten die Milizionäre damit schlechte Erfahrungen: die Eltern waren nicht zuhause oder selbst besoffen, oder die Eltern fühlten sich in ihrer Ruhe gestört und hielten dafür, sie seien nicht die Kindermädchen ihrer Söhne und Töchter, oder die Milizionäre musste die Jugendlichen gar vor dem Zorn ihrer aus dem Schlaf gerissenen Eltern schützen. Das Milizkommando der Stadt hatte sich deshalb für einen Wechsel im Vorgehen entschlossen. Seit der Zentralisierung der städtischen Miliztruppen in einer neu gebauten Kaserne ist die Wache der Nordstadt grundsätzlich still gelegt und wird nur noch für Sonderaufgaben genutzt. Der Gewahrsam von wegen Alkoholkonsum oder anderweitig lärmenden Jugendlichen zwecks Ruhestellung und Ausnüchterung ist eine solche Sonderaufgabe. Davon wusste Zoya, da dies in der lokalen Zeitung und zum Teil auch durch Flugblätter, welche an Jugendliche verteilt wurden, in den Grundzügen bekannt gemacht wurde. Doch hielt sie dafür, dass dies sie persönlich nicht betreffen könne. Das war, wie sie zur Kenntnis nehmen musste, ein Irrtum.
Etwas später reichte eine Milizionärin Zoya und den Arrestanten in den weiteren Zellen je ein Sandwich und einen Pappbecher mit Kaffee in die Zelle. Zoya liebt Kaffee nicht, doch jetzt tat er ihr gut und das kleine Frühstück lenkte sie kurz von der Ungewissheit ihrer Situation ab.
Gegen 09:00 Uhr erschien ein Polizeiunteroffizier. Die Gefangenen mussten ...