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Essen auf Rädern
Datum: 07.04.2020, Kategorien: Reif
Schon bald nach Aufnahme meines Studiums musste ich feststellen, dass mit dem wenigen BaföG kein Staat zu machen war. Zwar reichte es aus, den Platz im Studentenheim zu bezahlen und für den täglichen Lebensunterhalt aufzukommen. Doch für die notwendigen Bücher, einen neuen Laptop und vor allem für den Unterhalt meines alten Fiat Uno war das monatliche Budget viel zu eng. An lockeres Studentenleben mit Party- und Kneipenbesuchen war ohnehin nicht zu denken. Deshalb habe ich mich recht bald nach einer Nebenjob umgesehen. Es sollte vor allem eine Tätigkeit sein, die mir genügend Zeit zum Studium beließ. Denn ich war dringend darauf angewiesen, auf keinen Fall die Regelstudienzeiten zu überziehen. So habe ich mich zunächst in der Gastronomie als Zapfer in einer Kneipe versucht. Auch Pizzabote war nicht mein Ding, weil die Arbeitszeit sich immer bis weit in die Abendstunden ausdehnte und ich deshalb manche frühe Vorlesung versäumte. In einem Telefongespräch hat meine Mutter beiläufig angemerkt, ich solle doch mal bei einem karitativen Träger nachfragen. Schließlich hätte ich dort meinen Zivildienst absolviert. So kam es, dass ich an den beiden Wochenendtagen Essen auf Rädern ausfuhr. Das Salär war nicht gerade üppig. Aber mit Trinkgeld kam dann doch jeden Monat eine erkleckliche Summe zusammen. Und in den Semesterferien hatte ich die Möglichkeit, auch über die Woche noch Geld zu verdienen. Nun war ich zwar finanziell abgesichert. Aber an große Freizeitaktivitäten war aus ...
... Zeitmangel kaum zu denken. Meine zwischenmenschlichen Kontakte außerhalb der Uni waren weitestgehend auf die Kunden des Essens auf Rädern beschränkt. Zu meinem Kundenkreis gehörten überwiegend ältere, gebrechliche Menschen, die sich selbst keine warme Mahlzeit mehr zubereiten konnten. Aber es gab durchaus jüngere Personen, die - meist vorübergehend und krankheitsbedingt - auf meine Hilfe angewiesen waren. Da sie anders als die meisten älteren noch geistig fit waren, habe ich zuweilen manchen netten Augenblick in Gesprächen und bei einer Tasse Kaffee mit ihnen verbracht. Wenn dann auch noch ein Geldschein hinzukam, war es mir doppelt angenehm. In der Anfangszeit haben mich Armut und Leiden durchaus belastet. Viele der zumeist älteren Frauen lebten in äußerster Bescheidenheit. Nicht selten gab ich mir mit dem Pflegepersonal die Klinke in die Hand. Wie sehr sich diese Menschen über eine freundliche Ansprache freuten. Viele waren vollkommen auf sich allein gestellt, auch wenn Kinder und Verwandte in unmittelbarer Nähe wohnten. Auch nach Monaten verließ ich manche Wohnung mit beklemmendem Gefühl, wenn sich eine alte Dame mit feuchten Augen verabschiedete. Die jüngeren kannten die Einsamkeit weniger. Aber sie waren voller Sorge, ob sie später wieder in das Arbeitsleben eintreten könnten. So manchem war gewiss, dass er wohl dauerhaft nicht mehr selbständig wird leben können, dass möglicherweise sogar irgendwann einmal ein Heimaufenthalt unumgänglich sein wird. Während mich die ...