Die Liebenden aus der Bücherzelle
Datum: 17.01.2020,
Kategorien:
Romantisch
... schließt die Augen und genießt. Vor ihrem inneren Auge taucht ein Bild auf. Ein Reiter auf einem weißen Pferd. Sein langes, blondes Haar ist zu einem Zopf geflochten, welcher ihm über die rechte Schulter fällt. Er lächelt sie an. Scheu schaut sie zu ihm. "Mylady. Wohin des Wegs? Kann ich sie ein Stück mitnehmen?"
Sarah hält die Augen geschlossen und träumt, als sie in einer wilden Woge kommt. Schnell schlüpft ihr Finger zurück. Sie klappt das Buch zu und legt den gefalteten Zettel dorthin zurück, wo sie ihn fand.
In dieser Nacht findet sie schwer Schlaf. Immer wieder fährt die Lust in ihren Schoss wie ein Dämon. Am nächsten Morgen schmiedet sie einen Plan. Sie nimmt einen Bogen ihres schönsten Papiers und greift zum Stift.
"Mein Geliebter! Wie sehr vermisse ich es, dass du meine erregten Knospen mit deinen Haaren streichelst. Ich wünschte, deine sanfte Zunge möge mich über jene Schwelle von dannen tragen, hinter der das Paradies verborgen liegt. So komm, mein edler Ritter! Zücke dein Schwert! Befreie es aus seinem Verließ und lass mich deine Kraft in meiner Höhle fühlen. Auf ewig dein! Sarah"
Ihre Hände zittern, als sie mit dem Buch in der Hand die Box betritt. Scheu sieht sie sich um. Schnell stellt sie Lady Chatterley zu den anderen und verlässt die enge Zelle. Ihr Herz wummert, als hätte sie einen Marathonlauf absolviert. Klas ist ein schüchterner Mann. Seine Haut ist blass und seine Haare haben sich früh von seinem Kopf verabschiedet. Er liebt Literatur über ...
... alles und er würde auch die Frauen lieben, wenn sie ihn nur ließen. So aber verbringt er seine einsamen Abende im weltweiten Netz, sein Notebook auf seinen Schenkeln. Einer plötzlichen Eingebung folgend zieht er sich an und verlässt das Haus. Zielstrebig steuert er auf die gelbe Box zu. Es ist noch da! Dem Himmel sei Dank! Er nimmt Lady Chatterley in seine Hand und schüttelt sie durch. In diesem Augenblick löst sich Sarahs Nachricht und fällt zu Boden. Hastig greift Klas nach dem Blatt, birgt es an seiner schmächtigen Brust und stürmt hinaus in die Nacht. In der Wohnung angekommen liest er mit zitternden Fingern. Als er fertig ist, hat er eine Träne im Auge. Er geht zum Kühlschrank und nimmt die Flasche heraus, in der rosefarben der Rebensaft schimmert. Er gießt ein. Die göttliche Traube benetzt seine welken Lippen. Er schließt die Augen und genießt stumm. Dann setzt er sich wieder an seinen Monitor. Aber das Gelesene lässt ihm keine Ruhe. Zweifelsohne war es die Handschrift einer Frau. Einer Frau, einer leibhaftigen Frau, aus Fleisch und Blut, mit einem Herzen, das schlägt, mit warmen, weichen Brüsten und Schleimhäuten, die offensichtlich nach Berührung lechzen. Klas wäre ein Narr, wenn er diesen Umstand nicht zu seinem Vorteil nutzen würde. Zögernd greift er zum Stift. Er nimmt ein Blatt Papier heraus und beginnt, die Buchstaben aneinander zu reihen.
"Teuerste! Ich bitte um Vergebung! Es ist unverzeihlich, sie so lange auf eine Nachricht warten zu lassen. Natürlich zücke ...