1. Hartz V


    Datum: 19.09.2019, Kategorien: Macht / Ohnmacht

    Ich leerte gerade meinen Briefkasten. Werbung, Werbung, eine Rechnung, ein Brief vom Arbeitsamt. Ich schaue auf den Poststempel. Mittwoch, 20. Juni 2007! Also gestern abgeschickt. Ich reiße den Umschlag auf, noch bevor ich in meiner Wohnung zurück bin. Ich bin immer noch arbeitslos. Zum Jahresende 2006 hat es auf dem Arbeitsmarkt ja mal ganz vielversprechend ausgesehen. Doch dann, mit der Mehrwertsteuererhöhung brach der private Konsum wieder ein. Die Folge: weitere Entlassungen, vor allem im Einzelhandel und im Dienstleistungsbereich.
    
    Für Arbeitslose wie mich, weiblich, 48 Jahre alt und nach der Kindererziehung jahrelang aus dem Beruf, wurde es schier aussichtslos wieder einen vernünftig bezahlten Job zu bekommen. Deshalb war ich ja so aufgeregt, als ich diesem Brief vom Arbeitsamt in meiner Post fand. Haben die was für mich? Es war eine Aufforderung, mich am Freitag, den 29. Juni auf dem Arbeitsamt zu melden. Ich solle zu diesem Termin auch gleich ein Gesundheitszeugnis mitbringen. Gesundheitszeugnis? Das kann nur bedeuten, dass es sich um einen Job in der Gastronomie oder im Lebensmittelbereich handeln konnte.
    
    Pünktlich um 10 Uhr, am Freitag Morgen fand ich mich mit den gewünschten Unterlagen beim Arbeitsamt ein. Als ich dann aufgerufen wurde und das Zimmer der für mich zuständigen Sachbearbeiterin betrat, saß seitlich an deren Schreibtisch ein Mann, den ich vorher noch nie gesehen hatte. Er wurde mir dann auch gleich als Herrn Janetzky vorgestellt.
    
    Herr ...
    ... Janetzky sucht dringend Arbeitskräfte für sein Unternehmen. Frau Weber, ich habe mir ihre Unterlagen einmal genauer angesehen. Sie sind ja schon recht lange arbeitssuchend. Ich denke, das wäre eine Arbeit, die sie durchaus machen könnten erklärte mir die Sachbearbeiterin vom Arbeitsamt. Herr Janetzky betreibt ein Bordell und ist auf der Suche nach neuen Mitarbeiterinnen lässt die Sachbearbeiterin die Katze aus dem Sack. Ja und was genau suchen Sie da? wende ich mich an den seriös wirkenden Herrn. Brauchen sie eine Putzfrau, oder ein Zimmermädchen? Nein, nein, was ich suche sind Prostituierte, die unsere männliche Kundschaft bedienen erklärt mir dieser.
    
    Das ist wohl ein Witz, ist hier irgendwo eine versteckte Kamera? frage ich die Frau vom Arbeitsamt. Diese klärt mich auf: Wissen Sie, die Prostituierten haben jahrzehnte lang für eine Anerkennung ihrer Tätigkeit als Beruf gekämpft. Steuern müssen sie schon lange bezahlen. Seit einiger Zeit können sie auch in die Sozialversicherung einbezahlen. Nach dem der Gesetzgeber vor drei Monaten die Ausübung der Prostitution als Beruf entgültig anerkannt hat, sind wir beim Arbeitsamt auch verpflichtet Arbeitskräfte zu vermitteln, wenn uns offene Stellen in diesem Gewerbe gemeldet werden. Genau das hat Herr Janetzky getan. Er benötigt Verstärkung in seinem Etablissement. Aber mit Prostitution habe ich bisher noch nie zu tun gehabt, Sie wissen, dass ich Sozialpädagogik studiert habe und da auch einen Abschluss gemacht habe, versuchte ich die ...
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