Blindate im Bistro
Datum: 25.07.2019,
Kategorien:
Romantisch
Das hatte ich nun davon. Ich saß auf dem Präsentierteller und wusste nicht, was mich erwartete. Auf dem Bistrotisch das Buch, welches wir als Erkennungszeichen vereinbart hatten. Alle Bekannten hatten mich gewarnt: "Mach das nicht, treff Dich nicht mit jemandem, den Du nur aus dem Internet kennst. Das ist bestimmt ein Kerl, im Internet sind kaum Frauen. Schon der Online-Name. So etwas überhebliches." Das Übliche halt. Aber ich hatte ja nicht hören wollen. 6 Monate chatten und eMails waren einfach genug. Ich hatte mich mit "ohnegleichen22" super verstanden, wir hatten viele Gemeinsamkeiten, interessierten uns für ähnliche Musikrichtungen, hatten ähnliche Wertvorstellungen, konnten uns über so ziemlich jedes Thema unterhalten, kurzum, ich wollte sie kennenlernen.
Also hatte ich mir ein Herz gefasst und um ein Treffen gebeten. Sie war nicht sofort darauf eingegangen, sondern hatte um Bedenkzeit gebeten. Am nächsten Tag kam dann die Mail: "OK, wir können uns treffen, aber nur zu meinen Bedingungen. Du setzt Dich mit einem Buch im Bistro Wintergarten an einen Tisch. Das Buch kannst Du Dir aussuchen und mir dann mitteilen. Sei um 18 Uhr da, ich werde mich bis spätestens 20 Uhr bei Dir melden. Diese lange Zeit ist notwendig, damit Du nicht weisst, ob ich da bin oder nicht. Ich möchte völlig unverbindlich einen Blick auf Dich werfen, wenn Du mir gefällst, komme ich an Deinen Tisch, ansonsten gehe ich wieder. Das hat für Dich auch den Vorteil, dass Du mich eventuell gar nicht ...
... kennenlernst und es auch nicht bedauern musst, wenn ich Dich nicht kennenlernen will."
Ich hatte mich erst ziemlich geärgert über diese Bedingungen, aber Sie hatte Recht. Wir mussten uns nicht kennenlernen, wenn ich ihr nicht gefiel. Ich müsste nicht einer heissen Frau nachtrauern, die nichts für mich übrig hat und sie musste sich nicht zu erkennen geben, wen sie nicht wollte. Je länger ich darüber nachdachte, desto fairer erschien mir der Vorschlag. Sie trug das grössere Risiko und musste die Abfuhr verdauen, wenn sie mir nicht gefiel. Es war mittlerweile 19 Uhr geworden, während ich mir so die Vorgeschichte durch den Kopf gehen liess. Irgendwie gefiel es mir inzwischen nicht mehr, unter Umständen heimlich gemustert und für uninteressant gehalten worden zu sein. Ich vertrieb mir die Zeit mit dem Beobachten der anderen Gäste. Sie musste gewusst haben, daß das Bistro um diese Zeit ziemlich voll war. Und es schien bei Frauen besonders beliebt zu sein, die ideale Möglichkeit, zwischendurch kurz hineinzukommen, mich zu taxieren und unbemerkt zu verschwinden. Ich begann, wie schon zuvor, die weiblichen Gäste zu mustern. Konnte "ohnegleichen30" eventuell zu einer der Business-Frauen hinten in der Ecke gehören? Da waren schon einige dabei, die mir - rein optisch - gefallen hätten. Oder war es die einzelne Frau am Tresen, im schicken Hosenanzug, wäre auch nicht schlecht. Immer wieder kamen und gingen Frauen, tranken kurz einen Kaffee oder setzen sich für einige Zeit. Es war zum ...