Das fremde Mädchen
Datum: 23.07.2019,
Kategorien:
Romantisch
... Als das Licht wieder anging, saßen dort drei Betrunkene an einem Tisch und grölten.
Der Plan meiner Tochter schien mir gut durchdacht zu sein. Ich wußte um das Geheimnis des Tanzes, wie jeder Inder darum wußte. Sie würde so meiner Frau schonungslos das zeigen, was sie fühlte. Es war mir klar, daß meine Frau sofort aufspringen würde. Es gab zwei Möglichkeiten für mich. Die erste war, sie zu bitten, daß sie bis zum Schluß zuschauen solle und erst etwas sagen solle, wenn Manjula wieder bei uns war und sie in ihre Augen geschaut hatte. Die zweite Möglichkeit war, es ihr zu befehlen. Ich war der Maharadscha. Sie meine Frau. Auch wenn sie die Maharani war, sie war meine Frau. Und somit hatte sie mir zu gehorchen. Tat sie es nicht, konnte ich sie sofort, und damit meine ich sofort, verstoßen. Sie hätte schon diese Nacht woanders schlafen müssen. Jedenfalls nicht in unserem Haus. Also versuchte ich es mit der Bitte. Denn ich liebte sie zu sehr, um es ihr zu befehlen. "Schatz?" "Ja." "Ich habe eine große Bitte an dich." "Alles was du willst." "Es ist aber eine mehr als große Bitte." "Egal." "Wirklich?" "Ja, mein Fürst." "Wenn Manjula gleich tanzt, schau bitte bis zum Ende zu und wenn sie zurückkommt, dann schau in ihre Augen." "Was meinst du?" "Das, was ich gerade gesagt habe." "Ich weiß nicht.", antwortete sie argwöhnisch. Ich nahm ihre Hand in die meine. "Ich bitte dich." "Was hat das zu bedeuten!", sagte sie, jetzt schon fast ärgerlich. Schweren Herzens besann ich mich auf die ...
... zweite Möglichkeit. "Ich habe dich um etwas gebeten. Aber ich glaube nicht, daß du meine Bitte erfüllen wirst. Ich habe dir noch nie etwas befohlen. Doch jetzt befehle ich es dir. Du schaust dir den Tanz an, und wenn die Beiden zurück sind, sagst du keinen Ton." Sie zuckte zusammen. Ich hatte ihr noch nie einen Befehl gegeben. Und wir kannten uns schon seit Kindertagen. Gehorsam nickte sie und drehte sich zur Bühne hin, wo die letzten Takte des Liedes verklangen. Die Bühne wurde dunkel und eine halbe Minute später ging das Licht an. Die Trinker saßen dort und meine Königin zuckte deutlich zusammen. Sie wußte was kam. Und als im Klang der Musik Manjula auf die Bühne kam, preßte sie meine Hand so fest, daß es schon schmerzte.
Ich war entsetzt! Das war noch nie passiert. Noch nie hatte er mir etwas befohlen. Und gerade daß er dies jetzt machte, das machte mich mehr als nur mißtrauisch. Aber ich mußte mich fügen. Ich wollte ihn doch nicht verlieren. Dafür bedeutete er mir viel zu viel. Und das wäre der Fall gewesen, wenn ich ihm nicht gehorchte. Also schaute ich zur Bühne hin und wartete, auf das, was dort geschehen würde. Als das Licht anging und ich die Dekoration sah, der Tisch, die Flaschen, die drei Trinker, da wußte ich was Manjula uns zeigen würde. Und nun sah ich auch Thomas wieder. Ich hatte, abgelenkt von meinem Mann, nicht an ihn gedacht. Sonst wäre mir sofort aufgefallen, daß er schon so lange abwesend war. Und da er an dem Platz saß, wußte ich auch, mit wem sie ihn ...