1. Crashgirl im Schatten


    Datum: 18.06.2019, Kategorien: Sci-Fi & Phantasie

    Die junge Frau fuhr mit ihrem elektrisch betriebenen Zweirad auf den Rastplatz im Spessart. Auf dem Parkplatz wartete bereits ein Auto. Die Kronen der Bäume verdunkelten den Himmel, und so konnte man nur das dezente Licht im Inneren des Wagens als Wegweiser nutzen. Fast lautlos näherte sich ihr schwarzes Gefährt der ebenfalls dunklen Limousine.
    
    Zwei Männer saßen auf den vorderen Sitzen. Einer sprach sie in einem fiesen fränkischen Dialekt an und Crashgirl musste das Visier ihres Helms hochklappen, um ihn beim dritten Versuch verstehen zu können.
    
    "Ja, ich habe die Cashcard. Habt ihr das Paket?"
    
    Wieder nuschelte der Kerl etwas und die junge Frau holte eine kleine Karte aus ihrer Tasche. Ein kurzer Druck an den Kanten, dann erschien in der Mitte in blauleuchtender Schrift ein Betrag von 100.000 Euro. Die Deckungssumme dieses Stücks Plastikgelds. Ein hübsches Sümmchen, dachte sich die junge Runnerin, doch sie wusste, dass es nicht für sie bestimmt war. Wenn sie mit der Cashcard durchgebrannt wäre, hätte man wohl in einer Woche ihre Organe an irgendeine Biocash Firma verkauft.
    
    Der Mann in der Limousine nickte und ließ sich von seinem Partner ein kleines Päckchen geben. Den Inhalt kannte Crashgirl nicht, aber wenn ihr Auftrag darin bestand, etwas aus Franken nach Groß-Frankfurt zu schmuggeln, dann tat sie es einfach, ohne sich groß über den Sinn und Zweck Gedanken zu machen. Zuviel Denken verkürzte in diesem Geschäft rasch die Lebenserwartung, und die war sowieso ...
    ... nicht all zu hoch. So tauchte sie mit den Männern Geld gegen Ware und klappte ihr Visier herunter, nur um dann ein paar Augenblicke später wieder auf der Autobahn zu sein.
    
    ***
    
    Entfernt waren die Lichter von Groß-Frankfurt zu sehen, welches sich in den vergangenen Jahrzehnten bis nach Aschaffenburg ausgedehnt hatte. Die Nacht war im Jahr 2060 kaum mehr als eine zwielichtige Version des Tages. Während normale, hart arbeitende Bürger ihrem geregelten Alltag als Mitglieder der Konzerngesellschaft nachgingen, regierten Runner wie sie den Schatten.
    
    Plötzlich sah sie hinter sich das Aufleuchten eines Blaulichts. Eine Streife der Fränkischen Regierungspolizei. Verdammte Sittenwächter, schoss es ihr durch den Kopf. Die falsche ID ihres Bikes war sicher nicht der Grund für die Bullen, sie um diese Uhrzeit anzuhalten. Edward hatte viel zu gute Arbeit abgeliefert, als dass man sie deswegen dran kriegen könnte. Nein, vielleicht hatte irgendeine verfluchte Überwachungsdrohne ihr Bike bei der Übergabe beobachtet. Die Sache stank in jedem Fall gewaltig nach Ärger, und darauf hatte die Schmugglerin keine Lust.
    
    Der gehackte Motor der Suzuki Silberbird heulte auf und beschleunigte das Bike auf über zweihundertfünfzig Kilometer pro Stunde. Normalerweise hätte der Motor bei 130 Kilometer pro Stunde abgeriegelt, doch die illegale Fahrsoftware ermöglichte es ihr, die Maschine auf mehr als das Doppelte zu beschleunigen.
    
    Im Display ihres Helms erkannte sie, dass das Fahrzeug der Polizei ...
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