1. Wenn die Nachtigall erwacht 01


    Datum: 11.08.2020, Kategorien: Sci-Fi & Phantasie

    ... sich fürs Erste sicher. Das Maisfeld war noch nicht so hoch, dass es ein Mann unbemerkt durqueren konnte.
    
    Sie holte ihre Motorradausrüstung aus dem Top-case, schlüpfte in die Lederkombi, zog den Reißverschluss bis ans Kinn, steckte ihre nackten Füße in die Motorradstiefel und setzte den Helm auf. Als sie den Motor startete und zurück auf die Landstraße rollte, kam ihr dieser Raubzug fast ein wenig zu leicht vor. Und dennoch ärgerte sie sich über ihre Feigheit, denn sie hätte die Kerle noch verhören sollen.
    
    ***
    
    Das Motorrad versteckte Miriam in der Industriehalle, bevor sie die Metalltreppe hoch rannte und die Tür zu ihrem Unterschlupf verriegelte. Noch im Flur zog sie den Metallzylinder aus dem Rucksack. In dem Metallzylinder steckte ein Glaskolben, dessen Deckel luftdicht verklebt war. Im Inneren des Glaskolbens sah sie einen schwarzen Gegenstand von der Größe einer Zitrone, der von mehreren Lagen Luftpolsterfolie gegen Stöße geschützt war. Sie zerschnitt die luftdichte Versiegelung des Glaskolbens mit einem Messer. Der Glasdeckel ließ sich mit einem satten Plopp abnehmen. Miriam hielt die Öffnung an ihre Nase und roch am Inhalt. Enttäuscht verzog sie ihre vollen, tiefblauen Lippen und griff nach dem schwarzen Objekt, es fühlte sich kalt und hart an.
    
     »Mein Gott, du bist ja prähistorisch.«
    
    Sie nahm das schwarze Objekt und legte es auf den Couchtisch. Mit skeptischen Blicken zog sie die Motorradstiefel und die Lederkombi aus, verstaute die restliche Ausrüstung ...
    ... und kam nackt, in Gestalt der Blauen Königin, zurück ins Wohnzimmer. Ratlos nahm sie auf der Ledercouch Platz und betrachtete sich das steinalte Ei. Das war keine Datenkapsel der Roten Königin -- dieses Ei war viel älter. Miriam wusste so gut wie nichts über die Vergangenheit der Roten Königin, außer dass sie vorher Tanja hieß, eine menschliche Frau war und irgendwas mit Mode oder Kosmetik zu tun hatte. Tanja war also nicht als Königin einer außerirdischen Lebensform auf die Erde gefallen, sie war selbst das Opfer einer Datenkapsel gewesen.
    
    Opfer war vielleicht ein zu negativer Ausdruck, aber viel Glück hatte ihr diese Verwandlung im Nachhinein nicht gebracht. Es gab schon vor der Roten Königin Datenkapseln auf der Erde und auf Miriams Wohnzimmertisch lag offensichtlich eines dieser uralten Dinger. Eines von Tanjas Eiern hätte Miriam ohne lange zu überlegen vernichtet, denn sie kannte alle Details, die darin verborgen waren, aber der Inhalt dieses Eies war ihr ein Rätsel.
    
    Je länger sie da saß und auf ihre Beute starrte, desto interessanter wurde das Objekt. Sie nahm es in ihre Hand und wog es prüfend: An Masse schien es über die Zeit nicht verloren zu haben und die Oberfläche war unbeschadet. Eigentlich war dieses Objekt viel wertvoller als all die anderen Eier, die sie in den letzten Jahren aufgespürt und vernichtet hatte. Denn dieses Objekt enthielt wahrscheinlich die unverfälschten, ursprünglichen Daten aus der Heimatwelt.
    
    Die Wärme ihrer Hände tat der Datenkapsel ...
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