1. Blutrache Teil 03


    Datum: 07.07.2020, Kategorien: Sci-Fi & Phantasie

    ... fühlten den Schmerz des anderen. Körperlich wie innerlich. Und trotz seiner grimmigen Entschlossenheit schmerzte ihn die Erinnerung an den Tag nach dem Tod ihres Vaters, an dem ihre Mutter ihren jungen Leben mit einem Messer ein Ende hatte bereiten wollen.
    
    Dankbar schlüpfte Skjala in seine Umarmung, als er sie etwas zu sich zog. Er spürte die Kühle ihres Rückens an seiner Brust und merkte, wie sie sich ein wenig entspannte, als er ihr etwas von seiner Wärme spendete.
    
    Er und sie. Auf mehr Wesen konnten sie sich nicht verlassen.
    
    „Und Bjorn", ergänzte sie seine Gedanken, deren Ursprung sie nun erkannte. „Er würde uns nicht verraten."
    
    Vigulf schieg. Er musste nichts sagen. Sie wusste, dass er weniger sicher war, was ihren Anführer anging.
    
    Er zweifelte nicht an ihm, aber jeder Mensch - auch ein Kartare - hatte seinen Preis. Sogar der aufrechte Bjorn, der ihnen im Wesen so ähnlich war.
    
    Und doch so anders. Wie Bär und Wolf eben. Tiere, Bestien und Jäger waren sie beide, aber Bären waren trotzdem keine Wölfe und Wölfe keine Bären.
    
    „Vielleicht haben wir Glück", murmelte Skjala nun. Ihre Gedanken waren bereits weiter gewandert. „Vielleicht können wir froh sein, dass niemand uns so nahesteht, wie sie ihm nahestand."
    
    „Außer uns selbst", widersprach er.
    
    „Ja. Außer uns selbst."
    
    Anstatt der düsteren Befürchtung in seinen Worten zu folgen, dass sie einander eines Tages verlieren mochten, beschloss seine Schwester diesmal, daraus Kraft zu schöpfen, dass sie ...
    ... einander hatten. Wie er selbst, so war auch sie zu tiefster Melancholie ebenso fähig, wie zu überraschendem Übermut. Auch das war Teil ihres Erbes.
    
    Sanft ergriff sie seine Hände und führte sie zu ihren festen Brüsten, deren Spitzen sich im kalten Wind in kleine Steine verwandelt hatten.
    
    Abwesend ergriff er einen der Ringe, die diese harten Knospen durchbohrten, während die Finger seiner anderen Hand sanft die Linien der Schmucknarben nachfuhren, die ihre Brüste ebenso bedeckten, wie den Rest ihres Körpers.
    
    In den südlichen Ländern, auf die sie nun zusteuerten, bedeckten sich mancherorts die Frauen, als hinge ihr Leben davon ab. Den Kartaren war das Konzept dessen, was die schwachen Warmländer Anstand nannten, völlig fremd. Sie bedeckten sich lediglich, um sich vor der Kälte zu schützen.
    
    Aber noch häufiger bedeckten sie sich ganz und gar absichtlich
    
    nicht
    
    , um eben dieser Kälte zu trotzen.
    
    Die meisten Frauen schützen ihre Brüste dennoch. Vor der Kälte ebenso wie vor Verletzungen, denn dort entsprang immerhin die Milch für die Kinder. Aber Skjala würde keine Welpen haben. Sie würde den Wolfsfluch nicht weitergeben.
    
    Wie ein Mann zierte sie deswegen auch ihre Brust mit den Zeichen ihrer Siege. Und wie ein Mann zeigte sie der Welt, was für eine Kriegerin sie war.
    
    Kaum eine Kartaren-Sippe konnte in ihrer Gesamtheit so viele Siegesnarben vorweisen, wie die Männer auf Bjorns Schiff. Und kaum ein Krieger konnte es mit der Zahl der Siege aufnehmen, die seine ...