Juliana und die Piraten III
Datum: 21.11.2017,
Kategorien:
Macht / Ohnmacht
Mittagszeit. Juliana wird bewusst, dass sie heute noch nichts gegessen hat. Jetzt aber, da zwei Piraten einen grossen Topf von der Küche auf das Deck schleppen, knurrt Julianas Magen. Der Inhalt des Topfes ist ein undefinierbarer Brei mit einigen Fleisch- und Gemüsestücken. Juliana ist höhere, feinere Küche gewohnt, und solche wurde ihr auch auf der \"Mary of Windsor\" zubereitet und, natürlich getrennt von der Mannschaft, serviert. Jetzt drückt ihr ein netter Pirat einen Holznapf und einen Blechlöffel in die Hand, und Juliana reiht sich brav in die Kolonne vor dem Topf ein wenn die Dame Hunger hat, frisst sie alles und lässt sich herausschöpfen. Den ersten Löffelvoll hinunterzuschlucken erfordert Überwindung, doch die Sache schmeckt überraschend lecker. Véronique setzt sich neben Juliana und diese spricht sie französisch an. Véronique gibt sich erstaunt, woher den Juliana wisse, dass sie französischer Muttersprache sei. Juliana stockt. Sie kann doch Véronique nicht sagen: weil ich dich Französisch luststöhnen hörte. Also stottert sie, sie hätte dies aufgrund von Veroniques Sprachmelodie vermutet. Veronique geht nicht weiter drauf ein sondern übergiesst Juliana mit einem nicht endend wollenden Wortschwall. Offenbar geniesst sie es, endlich wieder einmal mit jemandem Französisch parlieren zu können. (Der Kapitän ist zwar auch Franzose, doch bedient er sich konsequent der englischen Sprache.) Leider versteht Juliana nur gut die Hälfte, und dies nicht nur wegen Véroniques ...
... Sprechtempo, sondern auch weil sie in ihrer gepflegten Erziehung mit den Eigenheiten Marseiller Gossensprache nicht vertraut gemacht wurde. Einiges kann sie immerhin aus dem Zusammenhang erraten. So lernt sie beispielsweise rasch, dass baiser ficken bedeutet und dass der Ausdruck auch in einem übertragenen Sinne verwendet werden kann. Ja, Véronique und Juliana stammen aus unterschiedlichen Kulturkreisen und Gesellschaftsschichten. Doch Juliana empfindet rasch Zuneigung zur zwar derben, aber liebenswürdigen Französin.
Nach dem Essen befielt der Kapitän, die noch immer auf dem offenen Deck herumliegende Beute von der \"Mary of Windsor\" zu verstauen. Juliana wird bald von einem Matrosen aufgefordert, nicht blöd herumzugucken, sondern mit anzupacken. So tut sie dies, was rasch zu einem veritablen Muskelkater führt. Körperliche Arbeit ist sie nicht gewohnt. Es kommt hinzu, dass sich zwei der Matrosen einen Spass daraus machen, wenn sie jeweils mit Juliana Kisten herumschieben, ihren eigenen Krafteinsatz nur anzudeuten, so dass Juliana sich doppelt abrackern muss. Als Juliana diese kleinen Schweinerei endlich merkt und protestiert, meint einer der Matrosen lakonisch, Juliana müsse sich ihren Schlafplatz und ihr Essen abverdienen. Eine Bordhure, nun grinst der Matrose breit, werde übrigens schon lange gesucht, falls die Dame nach eine Abwechslung zum Kistenschieben suche. Juliana blickt den Matrosen fragend an: war dies nun ein Spass, eine Beleidigung oder gar ernst gemeint? Die ...