Zufall
Datum: 12.03.2019,
Kategorien:
Romantisch
Der Wecker läutet; 5 Uhr. Unwirsch, wie jeden Morgen, schalte ich das Foltergerät aus, schnaufe über und quäle mich aus dem Bett. Auf der Bettkante sitzend, strecke ich mich, gähne, schlurfe ins Badezimmer, putze meine Zähne und ziehe Laufhose und -leibchen an. Vor der Haustüre schlüpfe ich fröstelnd in meine Laufschuhe. Es sind keine fünf Minuten vergangen, als ich durch die Gartentüre auf die Straße trete und mit meinem morgendlichen Fitnessprogramm beginne. Mechanisch, lustlos laufe ich durch die Dämmerung. Vorbei an den schlafenden Häusern, der erleuchteten Bäckerei, aus der es nach frischem Gebäck duftet.
Dann biege ich ab in den Wald und meine Stimmung wird langsam besser. Die ersten Vögel zwitschern in den Bäumen, zaghaft erst, dann mutiger werdend immer lauter. Man merkt die Kraft der langsam hervorkommenden Sonne. Die vereinzelt die Äste durchbrechenden Sonnenstrahlen öffnen mir die Brust, ich atme frei, genieße jetzt den Morgen.
Die anstrengende Steigung habe ich hinter mir, laufe mit schweißnass über das Hochplateau, springe über quer liegende Bäume, weiche Wurzeln aus. Wilde Lust an der Bewegung hat mich gepackt. Ich spüre nicht die Äste, die meine Arme, meine Beine kratzen. Tempo und Bewegung sind alles, was ich noch bin. Langsam stumpft mein Hochgefühl wieder ab, als ich aus dem Wald wieder auf die Asphaltstraße einbiege.
Es ist schon fast sechs Uhr und die Stadt beginnt zu leben. Ich jogge den Gehweg entlang, als mir eine junge Frau auffällt. Sie müht ...
... sich mit einer großen Tasche ab. Plötzlich knickt sie ein, offenbar hat sich einer der hohen Absätze ihrer roten Schuhe in einem Lichtschachtgitter verhakt. Rasch bin ich bei ihr und helfe ihr auf die Beine. Sie hat ihr Knie aufgeschlagen, der Strumpf ist zerrissen, Schmutz und Blut kleben daran. Ihr Schuh steckt noch immer fest. "Haben sie sich weh getan?" frage ich. "Nein, danke, geht schon," stammelt sie, tritt mit ihrem verletzten Bein auf, knickt weg. Ich kann sie gerade noch auffangen. Ihr Körper fällt gegen meinen, fest halte ich sie im Arm. Ein wenig länger vielleicht als notwendig, genieße den Druck ihrer Brüste, ihren blumigen Geruch. "Danke," haucht sie. "Anscheinend brauchen Sie doch etwas Hilfe," erwidere ich, nehme ihre Tasche und stütze sie. "Mein Schuh," stammelt sie. Ach ja, ich bücke mich und ziehe ihn vorsichtig aus dem Gitter.
Fast unbeschädigt halte ich ihn in meiner Hand; rotes Leder umhüllt auch den 10 cm hohen Absatz. "Können wir?" reißt mich aus meinen Träumen. Ich packe die Tasche, stütze sie unter dem Arm. "Es ist gleich dort vorne!" sagt sie und weist mit der freien Hand die Richtung. Mir wird erst jetzt bewusst, dass mein Körpergeruch ein eher strenger sein muss. Sie sperrt die Eingangstür auf und fragt: "Helfen Sie mir noch über die Stufen?" Nichts lieber als das, ich würde gerne noch mehr helfen, denke ich mir und hieve sie Stufe um Stufe in den ersten Stock. Ihr Körper presst sich bei jedem Schritt fest an mich. Fester als notwendig, bilde ...