Lavendel duftet nicht nur blau - Teil 1: die Reise
Datum: 06.02.2019,
Kategorien:
Romantisch
... der als Gestell für einige südliche Topfpflanzen dient, seien es die rostigen Radreifen, die gelangweilt am Hoftor lehnen oder seien es eben die artenreichen Pflanzungen mit einheimischen Büschen, die gerade jetzt ihre ganze Blütenpracht entwickeln und den Garten hinter der Mauer in eine duftende und bunte Farbpalette verwandeln. Das Singen der Zikaden wird merklich lauter, dieses seltsame hohe, eintönige Sirren, das man erst wieder bewusst wahrnimmt, wenn die Insekten unvermittelt innehalten. Der Platzregen vom Nachmittag hat sie offensichtlich belebt. Hinter den weit entfernten Hügeln im Westen der Ebene versinkt langsam aber unaufhaltsam der glutrote Feuerball der Sonne, nicht ohne mit einem heißen Flimmern, das wie ein letztes Winken über den Hügeln zittert, gute Nacht zu sagen. Am roten Abendhimmel unterbricht ein Schwarm Flamingos die Glutfarbe des Abendhimmels. Ihre eleganten, graziösen, ja vornehmen Flugbewegungen erinnern an bewegte Schattenbilder in einem Scherenschnitt. «So muss der Frieden im Paradies sein», denkt Anna und kann sich kaum sattsehen an diesem völlig undramatischen, aber gerade deswegen so bewegenden Naturschauspiel der sich zur Ruhe legenden Ebene. Anna und ihr Mann Roman sitzen auf der pergola-überdeckten Veranda in großen, bequemen Weidensesseln mit ausladenden Rückenlehnen, wortlos, die traumhafte Abenddämmerung genießerisch aufsaugend. Noch vor 48 Stunden stressten beide durch die Hektik ihrer Heimatstadt, um die letzten Vorbereitung für Ihre ...
... Ferien in der Provence zu treffen, um die letzten Anweisungen an die Kolleginnen und Kollegen im Büro für die Ferienvertretung zu erteilen.
Kurz nach Geschäftsschluss sollte es losgehen. Seit Tagen lagen die Reisekoffer auf dem Boden des Schlafzimmers - bereit, sich mehr und mehr mit all dem zu füllen, was man für Ferien auf dem Land größtenteils eigentlich gar nicht braucht. Endlich, mit einer leichten Verspätung auf die vorgesehene Abfahrtszeit, verließ das Auto mit Anna und Roman die heiße, drückend schwüle Stadt und nahm die mehrstündige Fahrt dem Jura und Genfersee entlang und durch das französische Rhonetal unter die Räder. Anfangs noch leicht gereizt und nervös, nahm die Ruhe und Entspannung der Beiden im gleichen Maß zu, wie sie sich von ihrem Wohnort entfernten. Mit dem Sonnenuntergang über dem Genfersee und der langsam einbrechenden Dunkelheit tauchte dann erstmals zaghaft ein echtes Feriengefühl auf. Sie redeten während der Fahrt kaum miteinander; es war nicht notwendig. Für beide, Anna und Roman, herrschte die Harmonie der Gefühle, wie sie zu Beginn der Ferien wohl üblich ist: Ruhe, Entspannung, Offenheit für alles Neue - ohne Alltagstrott und Arbeitsstress. Endlich große Ferien! Vor allem für Anna hatten sie eine ganz spezielle Bedeutung. Vor etwas über einem Jahr hatten sie und Roman geheiratet, nach einer nur kurzen Freundschaftszeit. Beiden war damals schon sehr bald klar, dass sie zusammengehörten. Ein vorheriges Zusammenleben stand auch nie zur Diskussion. ...